Infernal: Thriller (German Edition)
des Schaffensprozesses seiner Gemälde zu sein. Darum geht es, und um nichts anderes. Die Gemälde.«
»Aber sind die Gemälde nicht auf ihre Art Publicity?«
»Ja, allerdings auf eine sehr spezielle Art. Publicity und Profit sind in diesem Fall eng verknüpft. Würde der Künstler die Bilder lediglich malen, um seine privaten Bedürfnisse zu befriedigen, würde er sie nicht verkaufen. Denken Sie an das Risiko, das er eingeht, indem er sie auf den Markt bringt. Nur deswegen haben wir überhaupt etwas über ihn erfahren. Hätte er kein Bild verkauft, würden wir heute noch genauso im Dunkeln tappen wie nach der ersten Entführung.«
»Und wie sind Profit und Publicity miteinander verbunden?«
»Er möchte, dass die Kunstwelt sieht, was er tut. Vielleicht geht es ihm um die Kritiker, vielleicht um andere Künstler, ich weiß es nicht. Vielleicht ist das Geld an und für sich gar nicht so bedeutsam. Es würde mich nicht im Geringsten überraschen, wenn er noch keinen Cent davon ausgegeben hat. Er weiß, dass in unserer Kultur der Wert von Kunst über den Betrag bestimmt wird, den die Menschen dafür zu zahlen bereit sind. Wenn also die Welt ihre Aufmerksamkeit auf seine Werke richtet, müssen sie sich für gewaltige Summen verkaufen. Deswegen ging er das Risiko ein, mit Christopher Wingate Geschäfte zu machen. Oder mit dem Täter, der Christopher Wingate für ihn beseitigt hat. Doch das ist selbstverständlich Spekulation.«
»Es ergibt wesentlich mehr Sinn als alles, was ich bisher gehört habe. Aber was sollen die Menschen aus seiner Arbeit ziehen? Warum malt er die Frauen als Tote? Und warum hat er mit beinahe abstrakten Gesichtern angefangen, dann Frauen gemalt, die aussehen, als schliefen sie, um später unverkennbar Bilder von Toten zu schaffen?«
»Es ist noch zu früh, um darüber Vermutungen anzustellen«, antwortet Kaiser und blickt auf seine Uhr. »Ich würde Ihnen gern eine persönliche Frage stellen, wenn Sie gestatten.«
»Was?«
»Der Anruf.«
»Anruf?«
»Der Anruf, den Sie aus Thailand erhalten haben.«
»Ich bin heute Morgen mit dem Gedanken an diesen Anruf aufgewacht. Es war die beunruhigendste Erfahrung meines ganzen Lebens.«
»Das überrascht mich nicht. Ich weiß, dass Sie eine Aussage zu Protokoll gegeben haben, als es passiert ist, aber würde es Ihnen etwas ausmachen, mir noch einmal davon zu erzählen?«
»Nicht, wenn Sie glauben, dass es Ihnen vielleicht weiterhilft.«
»Das könnte es.«
»Der Anruf kam fünf Monate nach Janes Verschwinden. Es war eine schlimme Zeit für mich. Ich konnte nur mithilfe von Medikamenten schlafen. Ich weiß nicht, ob ich das in meiner Aussage erwähnt habe.«
»Sie sagten, Sie wären erschöpft gewesen.«
»So kann man es auch nennen. Ich war alles andere als zufrieden mit der Arbeit des FBI. Wie dem auch sei, das Telefon klingelte mitten in der Nacht. Es muss eine ganze Weile geläutet haben, um mich zu wecken, und als ich schließlich den Hörer abnahm, war die Verbindung grauenhaft.«
»Was war das Erste, das Sie gehört haben?«
»Eine weinende Frau.«
»Haben Sie die Stimme erkannt? Direkt, meine ich?«
»Nein. Sie erschreckte mich, aber sie ging mir nicht durch und durch. Sie verstehen, was ich meine?«
»Ja. Und was dann?«
»Die Frau schluchzte meinen Namen. ›Jordan.‹ Dann nur noch Rauschen. Dann: ›Ich brauche deine Hilfe. Ich kann nicht ...‹ Noch mehr Rauschen, wie bei einer schlechten Mobilverbindung. Dann sagte sie: ›Daddy kann mir nicht helfen.‹ Und schließlich: ›Bitte‹, als würde sie flehen, am Ende ihrer Kräfte. Da erst hatte ich das Gefühl, es könnte Jane sein. Ich wollte gerade fragen, wo sie ist, als ein Mann im Hintergrund etwas auf Französisch sagte, das ich nicht verstand und an das ich mich nicht erinnere.« Selbst jetzt noch, in der warmen Herbstsonne von New Orleans, durchfährt mich bei der Erinnerung ein Frösteln. »Für einen Augenblick dachte ich ...«
»Ja?«
»Ich dachte, dass die Stimme wie die meines Vaters klingt.« Ich blicke Kaiser herausfordernd an. Soll er mich für eine Närrin halten. Aber das tut er nicht. Einesteils erleichtert es mich, während sich ein anderer Teil von mir fragt, ob er vielleicht der Narr ist.
»Reden Sie weiter«, ermuntert er mich.
»Dann fuhr der Mann auf Englisch fort: › Non, chérie , es ist nur ein Traum.‹ Und mit diesen Worten wurde die Verbindung unterbrochen.«
Mein Appetit ist vergangen. Kalter Schweiß ist unter meiner Bluse ausgebrochen
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