Infernal: Thriller (German Edition)
Dinge über Ihre Familie und Kindheit gefragt, stimmt’s? Intime Dinge?«
»Ja.«
»Das ist die Art und Weise, wie er arbeitet. Er will alle zugrunde liegenden Beziehungen erfassen. Damit hat er schon viele Angehörige gegen sich aufgebracht. Trotzdem will ich ihn deswegen nicht kritisieren. Er hat in früheren Jahren einige spektakuläre Erfolge erzielt.«
»Das ist so ziemlich genau das Gleiche, was er über Sie gesagt hat.«
»Tatsächlich? Nun, ich will Ihnen nichts vormachen, aber meiner Meinung nach sollte er nicht in diese Ermittlungen mit einbezogen werden.«
»Warum nicht?«
»Ich vertraue weder seinen Instinkten noch seinem Urteilsvermögen. Vor einiger Zeit war er in einen Fall verwickelt, der sich zu einem richtig hässlichen Haufen Dschungelscheiße auswuchs. Und Baxter legt zu viel Wert auf seine Meinung wegen ihrer zurückliegenden gemeinsamen Erfolge.«
»Lenz hat mir erzählt, dass seine Frau während irgendeiner Ermittlung ermordet wurde. Ist es das, was Sie meinen?«
»Ja. Hat er Ihnen erzählt, warum es so weit gekommen ist?«
»Nein. Er hat nur gesagt, dass es ein unglaublich brutaler Mord war.«
»Das war es wirklich. Und er konnte nur deswegen geschehen, weil Lenz etwas extrem Arrogantes und Dummes getan hat. Er kam fünf Minuten zu spät. Sie starb auf ihrem eigenen Küchentisch.«
»Mein Gott!«
»Danach ist er in den Ruhestand gegangen. Seitdem arbeitet er hin und wieder als Berater für Baxter. Ich glaube nicht, dass er die richtige Lektion aus den Geschehnissen gelernt hat. Er ist noch immer viel zu überzeugt von seinen eigenen Fähigkeiten.«
»Was halten Sie von seinem Plan, mich einzusetzen, um die Verdächtigen, die das FBI ausfindig macht, vielleicht aus der Reserve zu locken?«
»Es könnte funktionieren, aber es ist längst nicht so einfach oder ungefährlich, wie es aus seinem Mund vielleicht klingen mag. Die Ergebnisse könnten wenig aussagekräftig sein, und die Strategie könnte Sie direkt in die Schusslinie bringen.«
Kaisers Handy piepst erneut. Er kramt es zwischen den Überresten der Mahlzeit hervor und blickt auf das Display. »Schon wieder Lenz.«
»Werden Sie rangehen?«
»Nein.«
Da Kaiser die Unterhaltung auf persönliche Dinge gelenkt hat, scheue ich mich nicht, das Gleiche zu tun. »Sie haben mir von Lenz’ schmutziger Wäsche erzählt. Was ist mit Ihrer eigenen? Warum haben Sie Quantico verlassen?«
»Was hat Lenz gesagt?«
»Nichts. Er hat gesagt, es wäre Ihre Sache, mir das zu erzählen. Wenn Sie wollten.«
Kaiser richtet den Blick zu einer Gruppe von Palmen, wo ein Liebespaar auf einer Decke liegt. Ein Hund ist dabei, und neben ihnen steht eine Kühlbox. »Es ist eigentlich ganz einfach, wirklich. Ich war ausgebrannt, völlig am Ende. Das passiert früher oder später mit jedem in diesem Job. Bei mir war es lediglich ein wenig spektakulärer als bei den meisten anderen.«
»Was geschah?«
»Nach vier Jahren in Quantico war ich so etwas wie Baxters rechte Hand geworden. Ich trug viel zu viel Verantwortung. Mehr als hundertzwanzig ungelöste Fälle. Kindermorde, Serienvergewaltigungen, Bombenleger, Kidnapper, das ganze kranke Spektrum. In einer Situation wie dieser kann man unmöglich Prioritäten setzen. Hinter jedem einzelnen Fall, hinter jedem Foto steckt eine verzweifelte Familie. Untröstliche Eltern, Eheleute, Geschwister. Frustrierte Cops, die sich nichts sehnlicher wünschen, als ihnen zu helfen. Ich war an einem Punkt angekommen, wo ich praktisch in der Academy lebte. Als mein Privatleben vor die Hunde ging, bemerkte ich es kaum. Und dann, eines Tages, geschah das Unausweichliche.«
Die vage Erwähnung seines Privatlebens bringt mich dazu, auf seine linke Hand zu sehen. Ich kann keinen Ehering entdecken.
»Und was war das?«, frage ich. »Das Unausweichliche?«
»Baxter und ich waren draußen im Montana State Gefängnis, um einen zum Tode Verurteilten zu befragen. Er hatte sieben kleine Jungen vergewaltigt und ermordet. Die meisten davon hat er außerdem gefoltert, bevor sie starben. Es war nicht anders als andere Befragungen, wie ich sie früher schon Dutzende Male durchgeführt hatte, doch dieser Kerl genoss es wirklich, uns seine Schandtaten zu schildern. Das ist bei vielen so, aber diesmal ... Jedenfalls, es gelang mir nicht, die nötige Distanz zu wahren. Immer wieder musste ich an den einen kleinen Jungen denken. Sechs Jahre alt; er hat nach seiner Mutter geschrien, während diese Bestie ihm Elektrowerkzeuge in den
Weitere Kostenlose Bücher