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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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überwinden konnte, doch es war die einzig akzeptable Alternative. Warum sollte Via diejenige sein, die sich verstümmelte?
    Nun hob Cassie das Beil hoch, über ihre eigene Hand.
    »Aber du bist eine Tochter des Äthers, Cassie. Nicht …«
    Cassie ließ sich nicht beirren. Sie biss die Zähne zusammen, nahm all ihren Mut zusammen und bereitete sich auf den Schmerz vor, doch …
    Klonk!
    Sie und Via blickten zur Seite.
    Die Angelegenheit war schon erledigt.
    Hush warf stirnrunzelnd ihre abgetrennte Hand auf das Tischchen und ließ das zweite Beil zu Boden fallen.
    »Danke, Hush«, sagte Via.
    Cassie zuckte bei dem Anblick zusammen. »Ich hätte das machen sollen. Es tut mir Leid, Hush.«
    Hush zuckte die Achseln, Ist doch nicht so wichtig . Sie blutete nur wenig – menschliche Herzen schlagen nicht in der Hölle – doch die Verletzung würde nie abheilen. Cassie und Via banden ein Stück Stoff um Hushs Stumpen.
    »Arme Hush«, murmelte Cassie mit Tränen in den Augen.
    »Du bist ein Ätherkind«, erinnerte Via Cassie. »Du brauchst deine Hand. Und wenn wir ein bisschen Glück haben und unser Plan aufgeht, lassen wir einen nicht zugelassenen Chirurgen Hushs Hand später wieder annähen.«
    Ein schwacher Trost.
    »Also, fangen wir an«, sagte Via.
    Ein Streichholz wurde angezündet, und Via hielt die Hand, während Hush das brennende Holz unter ihren ehemaligen Fingerspitzen hin- und herstrich. Via murmelte eine lateinische Formel und endete mit den Worten: »… auf dass Sklaven Barone und Steine Wolken werden und auf dass aller Augen gegen uns erblinden, so sei es.«
    Magisch entzündeten sich in den Fingerspitzen von Hushs abgetrennter Hand fünf winzige Flammen.
    »So.«
    »Was bewirkt das?«, fragte Cassie.
    »Es ist ein ekliptischer Ritus«, sagte Via, als ob das irgendwas erklären würde. »Also los jetzt, wir springen in die erste U-Bahn Richtung Stalinstation, und im Handumdrehen sind wir bei deinem Haus.«
    Cassie erwartete etwas Bombastisches, eine spektakuläre okkulte Verwandlung. Verständnislos zeigte sie auf die brennende Hand. »Wie soll uns das bitte vor den Constablern beschützen?«
    »Ganz einfach«, sagte Via. »Wir sind unsichtbar.«

III

    Und tatsächlich, sie waren unsichtbar.
    Zuerst konnte Cassie es nicht glauben, doch als sie die belebte Straße hinunter zur U-Bahn liefen, schien niemand Notiz von ihnen zu nehmen. Via hielt einfach nur die abgetrennte Hand beim Gehen hoch. Die Steckbriefe von Xeke, die vorhin noch überall hingen, waren von diesem ersetzt worden:
    AUF ANWEISUNG DER
    CONSTABLERBEHÖRDE
    (ALLE BEZIRKE)
    GESUCHT
    WEGEN VERBRECHEN GEGEN
    LUZIFERS TYRANNEI
    BELOHNUNG
    EWIGER REICHTUM
    UND TRANSFIGURATION ZUM STATUS EINES
    DÄMONENFÜRSTEN

    Das Phantombild war gut getroffen, doch trotzdem sah sie niemand, als sie vor dem Schild stehen blieb; weder Mensch noch Dämon.
    Doch selbst dieser Beweis reichte ihr nicht aus. Sie tanzte zu einem 3-Meter-Golem und sprang vor ihm auf und ab, wedelte mit den Armen vor seinem Lehmgesicht. Der Golem stand einfach nur da und sah durch sie hindurch. Sie winkte noch heftiger einer Gruppe geflügelter Rekruten zu, die in Formation knapp über der Straße flogen.
    Keine Reaktion. Sie flogen einfach weiter.
    Mitten durch einen rauchenden, von Ungeziefer verseuchten Park marschierte eine komplette Constablertruppe in geschlossenen Reihen, ganz offensichtlich in spezieller Mission. Cassie rannte zu dem gehörnten Truppenführer und marschierte neben ihm her, streckte ihm genau vor dem deformierten Gesicht die Zunge heraus.
    Der Truppenführer sah sie nicht, genau wie niemand sonst aus der Truppe.
    Sie blieb stehen und ließ sie vorbeilaufen.
    »Schluss jetzt mit den Faxen«, flüsterte Via. »Die U-BahnStation ist genau um die Ecke. Los jetzt.«
    Sie mussten nicht lange warten; der öffentliche Nahverkehr war in der Hölle auf jeden Fall um einiges effektiver als in D.C. Unsichtbar sprangen sie über die rostigen Drehkreuze und rannten in den ersten offenen Wagon. Bürger aller Art standen darin und hielten sich an den Handschlaufen über ihren Köpfen fest, nicht ahnend, dass die meistgesuchten Flüchtlinge der gesamten Stadt sich direkt neben ihnen befanden.
    Inzwischen hatte Cassie sich daran gewöhnt. Coole Sache. Sie ließ sich zufrieden in dem heißen Zug braten, die Füße auf Hushs Stiefeln, während die infernale U-Bahn sie zurück an den Rand der Stadt brachte, und schon bald saßen sie wieder in dem klapprigen Vorortzug und tuckerten

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