Inferno - Höllensturz
zucken nahm der Dämonenfürst einem Schergen das Schwert aus der Klaue, hielt es kerzengerade in die Luft und vollführte eine schnelle Drehung mit seinem verwachsenen Handgelenk. Die Klinge sirrte rückwärts und holte den Kopf des Ungeheuers von seinen Schultern wie eine reife Tomate.
»Das glaub ich jetzt nicht«, flüsterte Angelese.
Cassie blieb der Mund offen stehen. Mannomann, diese Jungs sind ja echt BEINHART.
Der gewaltige Körper des Dämonenfürsten blieb aufrecht stehen. Ein Scherge hob den Kopf auf und hielt ihn an den Hörnern hoch.
»Ich tat, was Ihr wünschtet, Tochter des Äthers«, sprach der Kopf des Dämonenfürsten.
»Das ist mir jetzt fast unangenehm«, meinte Cassie. »Aber das war ein Witz.«
»Wie ich sagte, Euer demütiger Gastgeber erwartet Euch. Und da ist noch jemand, eine, die Euch liebt und sich nach Euch sehnt …«
»Ja, ja, ich weiß, meine Schwester. Aber ich glaube euch Teufeln kein Wort mehr. So blöd bin ich nicht, also warum tut ihr uns allen nicht einen großen Gefallen? Warum macht ihr euch nicht einfach vom Acker, du und deine Schlägertruppe?«
»Kommt aus freiem Willen mit uns, sonst müssen wir Euch gewaltsam mitnehmen«, wiederholte der Dämonenfürst. Hinter ihm breiteten einige der Kreaturen ein stacheliges Netz aus.
»Ihr haltet doch einfach gar nichts aus«, begann Cassie, und dann schrie sie: »Weil ihr kein bisschen RÜCKGRAT HABT!«
Der aufrechte Körper des Dämonenfürsten sackte in sich zusammen, gefolgt von jedem einzelnen Schergen hinter ihm. Alle sanken zu Boden wie Ballons, aus denen die Luft gelassen wurde, da ihre Wirbelsäulen sich auflösten. In den kurzen Augenblicken, die Cassie gebraucht hatte, um den Satz auszusprechen, war die gesamte Truppe in einen Haufen zuckendes Fleisch verwandelt worden.
»Das ist so cool!«, rief Angelese.
Doch Cassie bekam langsam weiche Knie. »Lieber Gott, ich kann mich kaum noch rühren, ich bin plötzlich so müde.«
»Jedes Mal, wenn du deine ätherischen Kräfte einsetzt, zehrt das an deiner physischen Energie. Und heute hast du eine Menge davon verbraucht. Aber wir müssen trotzdem noch raus hier. Die räumliche Verschmelzung neigt sich dem Ende zu, aber ich weiß nicht, wie lange es noch dauern wird, bis alles endgültig vorbei ist.«
Ja , dachte Cassie benommen und blinzelte. Lass uns einfach abhauen. Sie richtete den Blick auf die Wände des Ganges vor sich und dachte: Stürz ein!
Der Korridor begann zu bröckeln und fiel dann in sich zusammen wie ein Haufen Bauklötze. Frische Luft strömte ihnen ins Gesicht, Staub wirbelte nach draußen, und wo gerade noch Wände standen, war nun nur noch der Nachthimmel zu erkennen. Die Grenzen der Verschmelzung schwanden vor ihren Augen, alle höllischen Gebäude, Straßen und Gegenstände lösten sich auf. Vor Erschöpfung brach Cassie zusammen. Angelese hob sie auf, warf sie sich über die Schulter und fing an zu rennen.
HÖLLENSTURZ
KAPITEL ELF
I
Walter fühlte sich benebelt und schwindlig, als sei er gerade aus einer besonders spektakulären Achterbahn ausgestiegen. Ich bin in einer Stadt , überlegte er knapp. Er versuchte, die Benommenheit wegzublinzeln. Einfach nur eine große Stadt, ein heruntergekommener Stadtteil, im Südosten von Washington D.C. vielleicht oder möglicherweise irgendwo in
Detroit. Diese Gedanken waren eine Reaktion auf seine extreme Desorientierung. Schon bald würde ihm allerdings auffallen, dass weder in Washington noch in Detroit ein immerwährendes karminrotes Zwielicht herrschte. Und auch der Mond über diesen beiden Städten war nicht schwarz, noch waren die Sterne von ungesund gelber Farbe.
Walter taumelte die stinkende Gasse hinunter. Sein Kopf schmerzte, und mit jedem schmerzhaften Pochen kehrte schlaglichtartig eine weitere Erinnerung zurück. Er legte die Hand an den Kopf, fühlte den darum gewickelten Verband, dann fiel ihm wieder etwas ein.
Er hatte versucht, sich umzubringen, doch er hatte versagt. Colin hingegen hatte es zu Ende gebracht.
Er kicherte. Also … bin ich ein Sohn des Äthers. Entweder das, oder ich habe einen wirklich beschissen schlechten Traum.
Eine schiefe Straßenlaterne tauchte das Ende der Gasse in trübes Licht. Da lag ein Haufen Müll, wie man ihn in jeder Stadt finden konnte: ein altes Metallfass, in dem jede Menge Schrott steckte. Zwischen leeren Dosen und kaputten Möbeln lag ein rechteckiger Spiegel, der von Sprüngen überzogen war. Walter blickte unverwandt sein Spiegelbild an, sah
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