Inferno - Höllensturz
einäscherte.
Einschließlich Penelope.
KAPITEL FÜNF
I
Cassie schlief unruhig, Alpträume von der Mephistopolis, von Dentatapeden und Tentaculi, von Nektoports und Städtischen Mutilationstrupps ließen sie sich in Schweiß gebadet herumwerfen. Sie träumte, sie nähme den Zug vom Tiberius Depot zum Pogrom Park, wo beinamputierte Dämonenpenner um Kleingeld bettelten und in den Brunnen Blut statt Wasser sprudelte. Sie träumte von den gewaltigen J.P. Kennedy-Ghettoblocks – einem Slumbezirk, so groß wie der Staat Texas. Sie träumte vom Mephisto-Turm mit seinen 666 Stockwerken, und von dem einen Mal, als sie tatsächlich Luzifer aus einem der schmalen Fenster hatte blicken sehen.
Wenigstens waren das andere Alpträume. Früher war sie nachts immer von Alpträumen über den Selbstmord ihrer Schwester gequält worden. Nun wurde sie nur noch von Alpträumen über die Hölle geplagt.
Doch da war noch ein anderer Traum gewesen.
Angelese , erinnerte sie sich und setzte sich in ihrem Anstaltsbett auf.
Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und kicherte in sich hinein. Das Mädchen mit dem schneeweißen Haar. Ein Engel. Doch warum sollte sie so etwas Seltsames träumen? Und war es wirklich ein Traum gewesen? Ich gehöre einem Orden der Seraphim an , hatte die Erscheinung im Wasser ihr erklärt, einem ganz besonderen Orden. Die Angehörigen dieses Ordens steigen bereitwillig aus der Verzückung herab.
Nach allem, was ihr im letzten Jahr widerfahren war, grübelte Cassie längst nicht mehr darüber nach, welche Ereignisse in ihrem Leben real und welche Träume waren. Sie konnte ihren Sinnen schon lange nicht mehr trauen. Wann war die Veränderung eingetreten? War es, als sie erfahren hatte, dass sie ein Ätherkind war? Als sie zum ersten Mal in der Hölle gewesen war? Sie wünschte, das alles wäre nur ein Traum, doch sie wusste, dass es nicht so war.
Ich hätte sie aber trotzdem fragen sollen , dachte sie nun, Traum hin oder her. Ich hätte Angelese fragen sollen, warum ein Engel freiwillig den Himmel verlassen sollte.
»Weil es unsere Aufgabe ist«, erwiderte eine Stimme irgendwo aus dem Raum. »Es ist unsere Pflicht.«
Cassie rieb sich das Gesicht. Nächste Runde. »Eure Pflicht wem gegenüber?«
»Unsere Pflicht Gott gegenüber. Wir sind seine Spione.« Die Stimme kicherte. »Wir sind sozusagen seine Kommandotruppe.«
Cassie stand auf. Normalerweise schlief sie nur in BH und Unterhose, und nun zog sie beides ohne Scham aus und warf es in den kleinen Wäschekorb, den man ihr zugeteilt hatte.
»Hübsches Tattoo«, bemerkte die Stimme.
Cassie runzelte die Stirn. Was für eine seltsame Situation. Eine körperlose Stimme hat mir gerade ein Kompliment über mein Tattoo gemacht. Sie sah auf ihren Bauch hinunter, als bezweifelte sie nun sogar die Existenz des winzigen Regenbogens um ihren Nabel. Sie dachte an jenen Tag, als sie und Lissa ihre Tattoos in dem Studio in D.C. hatten stechen lassen.
»Meine Schwester hat auch eins«, gab Cassie zurück. »Ein …«
»Ein Kranz aus Stacheldraht um ihren Nabel«, kam es von Angelese. »Du solltest mal meine Tattoos sehen.«
»Ach, Engel lassen sich auch tätowieren?«
»Klar, aber meine sind was ganz Besonderes. Sie sind fromm.«
Cassie grinste. Angelese sprach offenbar gern in Rätseln. »Woher wusstest du, dass meine Schwester einen Stacheldraht um den Bauchnabel tätowiert hat?«, fragte sie nun.
»Ich hab’s ein paarmal gesehen.«
Cassie blieb wie angewurzelt stehen, ohne sich um ihre Nacktheit zu kümmern. »Du hast meine Schwester gesehen ?«
»Mhm.«
»Wo ist sie?«
»Du weißt doch, wo sie ist. In der Mephistopolis.«
Cassie zitterte. »Ja, aber wo in der Mephistopolis?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher.«
»Aber du hast doch gerade gesagt, dass du sie gesehen hast!«
»Ich hab sie ein paarmal gesehen, aber ich weiß nicht genau, wo sie war. Wir warten noch auf ein paar Berichte von Agenten. Ich channele ständig in die Hölle, alle Caliginauten tun das.«
»Du – was? Chan…«
»Stell es dir als außerkörperliche Erfahrung vor, so was in der Art. Manche Menschen können so etwas auch, das Gleiche gilt für Engel. Eine der ersten Übungen, die sie uns beibringen, wenn wir in den Orden eingeführt werden. Wir channeln unsere Seele aus dem physischen Körper hinaus, und dann können wir überallhin gehen, inklusive der Hölle.«
»Aber warum?«, wollte Cassie wissen. »Warum sollte ein Engel in die Hölle gehen?«
»Aufklärungsmissionen«,
Weitere Kostenlose Bücher