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Inferno - Höllensturz

Inferno - Höllensturz

Titel: Inferno - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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überflüssig. Schon zogen Hände mit gebogenen Krallen an ihrer Hose...
    Pllllllllllllllllllllllllllllllllllll-onk.
    Penelope hatte die Augen vor dem Grauen verschlossen, doch sie öffnete sie wieder, als ihr Angreifer plötzlich erschlaffte.
    Ein Tentaculus beugte sich auf seinen langen wurmartigen Beinen über den Schauplatz, das Maul seines Rumpfs befand sich im Mund des Klons. Als die Kreatur anfing zu saugen und sich sein Verdauungsapparat pumpend in Gang setzte, konnte Penelope heimlich wegkriechen. Sie musste an den Schlauch eines Staubsaugers denken, nur dass dieser Sauger keinen Staub aufnahm, sondern die Innereien ihres makabren Doppelgängers. Zumindest dachte Penelope das, bis das Wesen innehielt und sein Maul abzog. Der Ton, den es von sich gab – ganz offensichtlich ein Ausdruck von Unzufriedenheit -, durchdrang ihre Ohren wie das Heulen eines Zahnarztbohrers. Was sie nicht wissen konnte, war, dass der Hex-Klon keine inneren Organe besaß, sondern nur fauliges, reanimiertes Gulasch und Blut. Nicht die leckere Mahlzeit, die der Tentaculus erwartet hatte. Er zuckte zurück, richtete seinen Rumpf auf wie ein Elefant seinen Rüssel und spie in hohem Bogen alles in einem schleimigen Schwall wieder aus.
    Penelope hatte ihre entsetzte Flucht wieder aufgenommen. Der Anblick des Mondes – ihr Mond, nicht der einer anderen Welt – lockte sie. Endlich war sie da, sie brach beinahe zusammen, als sie den ersten tiefen Atemzug in der sauberen Nachtluft tat. Man konnte Grillen zirpen hören, das üppige grüne Gras den Hügel hinabwachsen sehen, auf dem die Landkartenbibliothek stand. Sie musste nur noch weiterlaufen, einfach weiter weglaufen und so weit wie möglich von hier wegkommen, von diesem Ort, von diesem Alptraum.
    »Adieu, Penelope«, hallte eine Stimme in ihren Ohren. Die Stimme des Mannes aus dem Keller, die Stimme, die wie Licht klang. »Genieße dein Leben, solange du es noch hast, denn du sahst gerade den Hort deines Jenseits …«
    Penelope blieb stehen und drehte sich um. Sie konnte nicht anders.
    Sie blickte zurück.
    Da war der Mann, der wunderbare Mann namens Zeihl. Er stand auf den Stufen der Halman-Landkartenbibliothek zwischen all den bösen Gebäuden, die darum herum aufgetaucht waren. Zeihls Gloriole funkelte, ebenso wie sein stilles Lächeln. Dann kam das Geräusch:
    Ssssssssssssssssssssssssssssssssss-ONK!
    Es knackte in der Luft. Es knackte auch in Penelopes Ohren, wie in einem Flugzeug beim Landeanflug, und dann sah sie ein pulsierendes grünes Licht aufblitzen. Der Blitz schien zu einem stetigen, zitternden Fleck wenige Meter vor der Eingangstür der Bibliothek anzuwachsen. Der Fleck wurde größer, er färbte alles in der höllischen Straße mit seinem unheimlichen grünen Leuchten ein.
    Wa-was IST das? , fragte sich Penelope.
    Der Hexer in dem weißen Umhang mit der Kapuze schwebte aus dem Gebäude, unter dem Arm etwas Ähnliches wie eine Aktentasche. Der grüne Fleck hatte gebebt und gezittert wie lebendiges Neon, bis er sich in eine Art Öffnung verwandelte, ein gerändertes Loch in der Luft, aber ein Loch aus grünem Licht. Ein Loch, genau, oder eine Tür …
    Die weiße Gestalt schwebte ohne ein Wort oder eine Handbewegung an Zeihl vorbei und trat durch diese Tür.
    Dann schrumpfte die Tür langsam zusammen.
    Zeihl warf Penelope ein letztes Lächeln zu. Dann kniete er sich hin und küsste den Boden, und dabei bemerkte Penelope die verkohlten Reste von Knochen, die auf seinem Rücken zusammengefaltet schienen.
    Flügel , erkannte Penelope.
    »Lauf, Penelope«, ertönte die Stimme. »Du wirst diesen Ort wiedersehen, doch mich wirst du nie wiedersehen …«
    Die Erde begann zu beben. All die merkwürdigen Gebäude und endlosen schwarzen Wolkenkratzer um die Bibliothek verblassten allmählich, auch die absonderliche grüne Öffnung verschwand.
    Zeihl stand wieder auf.
    Er hielt jetzt ein Messer mit einer langen, gebogenen Silberklinge in der Hand und sah mit seinem wunderschönen Lächeln auf. Dann schloss er die Augen und schlitzte sich die Kehle auf.
    Das Blut, das aus der Wunde quoll, strahlte so hell wie Magma. Penelope sah völlig hilflos zu.
    Der Gefallene Engel hatte ihr aufgetragen, ihr Leben zu genießen; doch was er ihr nicht gesagt hatte war, dass es schon eine Sekunde später enden würde …
    ... als Zeihls Körper in einer pilzförmigen Wolke blendend weißen Lichts explodierte, die dreißig Meter hoch in die Luft stieg und alles in einem Umkreis von fünfhundert Metern

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