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Inferno - Höllensturz

Inferno - Höllensturz

Titel: Inferno - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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die Dusche trat. Der warme Wasserstrahl belebte sie.
    »Also gut, was wolltest du …« Cassie schlug sich auf den Mund.
    »Ich hab doch gesagt: Pass auf!«, mahnte Angelese.
    »Cassie?« Das war Sadie. Sie spähte um die Duschwand herum. »Ist da jemand bei Ihnen in der Dusche?«
    Cassie wandte sich stirnrunzelnd um und breitete die Hände neben ihrem vollkommen nackten Körper aus. »Sieht es so aus, als wäre jemand bei mir?«
    Sadies Augen verengten sich. »Ich hätte schwören können, dass ich Sie habe sprechen hören.«
    »Ich führe manchmal Selbstgespräche.« Dann lachte sie. »Fragen Sie R.J.«
    »Na gut. Wenn was ist, ich bin draußen.«
    »Keine Sorge, Sadie. Ich weiß, dass alle denken, ich wäre selbstmordgefährdet. Aber mal im Ernst: Wie soll ich mich denn mit einem Stück Seife umbringen?«
    Ein letztes sorgenvolles Seufzen, dann ging Sadie wieder hinaus.
    »Hör einfach nur zu«, sagte Angelese, »und wenn du etwas sagen willst, dann bitte so leise, dass Dampfwalze Dora da draußen nichts hört.«
    Cassie nickte und ließ sich dann still vom Wasser und von Angeleses Stimme berieseln.
    »Einiges kann ich dir erzählen«, begann der Engel, »und anderes nicht. Das ist eine der Regeln. Wie es in der Mephistopolis Regeln gibt, habe auch ich meine Regeln. Wenn ich sie breche, muss ich bezahlen.«
    »Und wie?«
    »Mit Schmerz. Mit Folter. Weißt du noch, als wir letzte Nacht die Übertragung in das Wasser gemacht haben?«
    »Ja.«
    »Was passierte da, unmittelbar bevor mein Bild verschwand?«
    Die Erinnerung war noch sehr lebhaft. »Du hast geschrieen, und eine Minute lang war das Wasser rot wie Blut.«
    »Das war Blut. Mein Blut. Ich wurde bestraft, weil ich eine der Regeln gebrochen hatte. Ich habe dir etwas erzählt, was ich nicht hätte erzählen dürfen. Erinnerst du dich? Ich sagte, ich würde dir helfen, zurück in die Mephistopolis zu kommen, ich würde dir helfen, den anderen Totenpass zu finden.«
    Lange Pause.
    »Dafür wurde ich bestraft«, fuhr der Engel fort. »Und zwar von einem Wesen namens Umbraphantom. Das ist eine Art Dämon, der in deinem Schatten lebt; jedes Mal, wenn man eine der Regeln bricht, kann er einige Sekunden lang real werden.«
    Auf ihren früheren Trips in die Mephistopolis hatte Cassie noch nie von so einem Wesen gehört. Es klang wie ein Damoklesschwert, das jederzeit herabsausen konnte, ohne Vorwarnung. »Aber … nur für ein paar Sekunden?«
    »Ein paar Sekunden reichen aus.« Angeleses Stimme wurde ernst. »Du wirst schon sehen. Mach einen Schritt zurück, aus dem Wasserstrahl heraus.«
    Cassie gehorchte. Das Wasser spritzte aus dem Duschkopf. Ihre Augen weiteten sich langsam.
    Das Bild war körnig, wie ein pointillistisches Gemälde, doch nach einer Sekunde konnte Cassie das Bild einer kleinen und schlanken jungen Frau erkennen, die unter der Dusche stand. Sie musste an einen Fernseher mit schlechtem Empfang denken.
    »Du siehst mich, oder?«
    Cassie nickte sprachlos.
    Angeleses Bild vervollkommnete sich nach und nach, bis sie fast so aussah wie eine normale Frau unter einer Dusche. Langes schneeweißes Haar ringelte sich in feuchten Locken herunter. Sie war sehr zierlich, mit zartem Knochenbau, und dann wandte sie Cassie anmutig das Gesicht zu und lächelte. Die übergroßen Augen glitzerten, die violett umrandete beigefarbene Iris war überwältigend. Sie trug ein schlichtes weißes Gewand – tief ausgeschnitten über einem kleinen Busen -, das im Wasser an ihr klebte und ihr bis zu den Knöcheln reichte.
    »Hi«, sagte der Engel.
    »Ähm«, stotterte Cassie. Sie trat tropfend zur Seite. »Hi.«
    Gleißend helle Neonröhren flackerten über ihnen. Angelese sah auf den Boden neben sich. »Siehst du? Siehst du meinen Schatten?«
    Cassie konnte ihn direkt neben Angeleses nackten Füßen sehen. Sie konnte nichts Außergewöhnliches entdecken. »Sieht für mich wie ein ganz normaler Schatten aus.«
    Angelese lächelte nur. »Frag R.J., ob du in das Zimmer ganz am Ende des Flurs auf der linken Seite ziehen kannst.«
    »Warum?«
    »Weil ich dort bin. Dann könnten wir uns leichter von Angesicht zu Angesicht unterhalten. Diese Wassernummer geht mir total auf den Sack.«
    Cassie konnte nicht fassen, dass sie gerade einen Engel das Wort »Sack« hatte benutzen hören. Außerdem begriff sie auch die anderen Worte nicht, und Angelese spürte das.
    »Ich brauche unheimlich viel Energie, um meine Stimme durch die Wände zu projizieren, und von dem Übertragungszauber werde

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