Infernoclub 3 Mein verlockender Earl
sollte ihm auch keine Übelkeit bereiten, dass sie das Kind eines anderen Mannes unter dem Herzen getragen hatte.
Nur allzu gerne hätte der Earl vorgegeben, dass dieses Wissen allein seinem Beruf zuzuschreiben war. Informationen waren immerhin das wichtigste Rüstzeug eines Agenten. Doch es war offensichtlich, dass Jordan auf fast krankhafte Art und Weise von Mara fasziniert war.
Na schön. Jordan bahnte sich seinen Weg durch den überfüllten Raum. Dann ist Mara Bryce mir eben nicht gleichgültig.
Doch die Gefühle, die er für sie hegte, konnten keineswegs als Zuneigung bezeichnet werden.
Im Gegenteil: Er verabscheute sie von ganzem Herzen.
Nur auf diese Art konnte Jordan den Verlust ertragen, den er erlitten hatte. Den Verlust einer gemeinsamen Zukunft. Warum nur hatte Mara keine Stärke bewiesen und noch ein wenig länger auf ihn gewartet? Und warum war er bloß so vernünftig und vorsichtig gewesen - so verdammt er selbst ?
Jordan schüttelte die Erinnerung an jenen Sommerabend im Garten ab. Die Erinnerung an Maras überraschenden Heiratsantrag, der ihn sprachlos gemacht hatte. Ihn, den mutigen Agenten, dem nichts und niemand Angst einflößen konnte! Und doch hatte ein bildschönes siebzehnjähriges Mädchen mit großen, leuchtenden Augen ihn mit einem Kuss aus der Fassung gebracht. Schlimmer noch, sie hatte ihn zu Tode erschreckt.
Auf vieles bereitete Virgil die jungen Spione vor - doch nicht auf diese besondere Katastrophe und wie man damit umzugehen hatte, wenn man sich verliebte.
Am liebsten wäre Jordan auf der Stelle davongelaufen - so sehr verunsicherte ihn die ganze Situation.
Seine Vernunft riet ihm, Distanz zwischen das Objekt seiner verrückten Begierde und sich zu bringen. Wie sehr Mara ihn auch reizte, er war nicht bereit, seine Pflichten dem Orden gegenüber für sie zu vernachlässigen. Schließlich dienten die Earls of Falconridge seit Generationen dem Orden.
Vor allem aber weigerte Jordan sich, seine Freunde im Stich zu lassen. Er konnte Mara nicht von seinen Geheimnissen erzählen. Wer wusste schon, ob sie nicht an falscher Stelle unbeabsichtigt eine Bemerkung fallen ließ, die Jordan, seinen Meister und seine Ordensbrüder in tödliche Gefahr brachte.
So schwierig seine Entscheidung auch gewesen war - und obwohl er wusste, dass seine Pflicht die Schuld daran trug, dass er Mara an Pierson verloren hatte -, Jordan hielt eisern an seiner Überzeugung fest, das Richtige getan zu haben. Und das war für ihn das einzig Wichtige.
Wer brauchte schon Glück und Zufriedenheit? Am Ende zählte nur die Ehre.
Jordan war dankbar, dass Mara und die adelige Dirne, die sie Freundin nannte, gegangen waren. Zusätzlich zu seinem ohnehin schon schwierigen Auftrag hatte Jordan nicht das Bedürfnis, obendrein noch zwei dumme, ahnungslose Damen der Gesellschaft beschützen zu müssen.
Über dem Raum schwebte eine unsichtbare Gefahr, die ein Unbeteiligter niemals hätte erahnen können. Doch schon bald würde die für heute geplante List die verborgenen Gegner ans Licht der Öffentlichkeit zerren.
Bereits in wenigen Minuten würde die Mission des Ordens beginnen.
Jordan bahnte sich den Weg zu einem Platz im vorderen Teil des gut gefüllten Auktionssaales. Von dort aus würde er jeden beobachten können, der für die Schriftrollen des Alchemisten ein Gebot abgab.
Entspannt lehnte der Earl sich gegen die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Mit seinen strategisch im Raum platzierten Mitstreitern tauschte er knappe Blicke aus.
Die Männer waren so verteilt, dass sie die Ausgänge überwachen und gleichzeitig einigen Subjekten von besonderem Interesse unauffällig Aufmerksamkeit schenken konnten.
Jeder seiner Mitstreiter nickte Jordan unauffällig zu und bedeutete ihm somit, dass alles in Ordnung war.
So weit, so gut. Nun mussten sie nur noch warten.
Im Augenblick lenkte der Auktionator geschickt einen Bieterkampf, der sich um alte römische Vasen drehte. Als Nächstes war dann laut Katalog das Objekt an der Reihe, um das es in der heutigen Operation ging.
In diesem Moment trug einer der Auktionsdiener den antiken Holzkasten mit den Schriftrollen zum Präsentationstisch neben dem Podium.
Jordan suchte die voll besetzten Stuhlreihen ab und beobachtete, wie die nummerierten Biettafeln gehoben wurden. Adelige Käufer lehnten sich zu ihren Kunstagenten hinüber und ließen sich Ratschläge ins Ohr flüstern.
Unentwegt wanderten Jordans Blicke durch den Raum, um die Anwesenden einschätzen
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