Infinitas - Licht der Finsternis (German Edition)
setzten sie einen Fuß vor den anderen und drehten sich langsam im Kreis. Keiner wagte einen Anfang, jeder beäugte die Regung seines Trainingspartners . E s schien fast so, als schauten sie in einen Spiegel.
Dann stieg Rayhan in die Höhe. Einfach so aus dem Stand flatterte er drei Meter über den Kopf des anderen und kam hinter ihm wieder auf die Füße. Maroush setzte zu einem Schlag an, doch sein Gegner parierte. Die Shinais aus mattem Karbon knallten gegeneinander, dass es nur so krachte. Mit all seiner Kraft stieß Rayhan sein en Partner zu Boden und platzierte seinen Fuß auf dessen Kehle.
»Ergibst du dich, kleiner Bruder?«
Maroush hob zum Zeichen seiner Kapitulation die Hände in die Höhe. Rayhan hielt ihm seine Hand hin und zog ihn auf die Beine. Beide nahmen ihren Kopfschutz ab und wischten über ihre verschwitzten Gesichter. Sie ließen sich nieder und sahen sich schweigend an.
Maroush brach als Erster das Schweigen. »Wir haben uns einige Jahrhunderte nicht gesehen und ich frage mich, warum du so plötzlich hier auftauchst.« Er blickte seinen Bruder herausfordernd an. Dieser nickte wissend. »Ja, du hast deine Spuren gut verwischt ... seit damals , als ich dich zum letzten Mal sah .«
»Ich scheine nachzulassen ... seit damals. Ich wunderte mich, dich ohne Layla anzutreffen.«
»Layla ...« Rayhan sprach diesen Namen andächtig aus. »Ich habe sie a n demselben Tag zum letzten Mal gesehen, an dem ich auch dich verlor.«
Maroush blickte überrascht auf.
»Seitdem bin ich auf der Suche nach dir, um dir zu sagen, dass du die Situation falsch verstanden hast. Zwischen Layla und mir ist nie etwas gewesen.«
»Ich weiß, was meine Augen gesehen haben. Sie belügen mich nicht.« T rotz d ieser harten Worte war Maroushs Stimme ohne Emotionen.
» Roush , sie kam zu mir, weil sie herausgefunden hatte, dass eure Losungen nicht die gleichen waren. Sie sagte mir, dass sie es nicht ertragen würde, darauf zu warten, dass du dein Glaubensgelöbnis triffst. Sie war gekommen, um sich zu verabschieden. Sie wollte dich ohne ein Wort verlassen. Ich nahm sie in den Arm, um sie zu trösten und umzustimmen. Plötzlich standest du im Türrahmen ... I ch habe nie etwas für sie empfunden und sie auch nie wiedergesehen. Aber dich, mein Bruder, habe ich all die Jahrhunderte vermisst. Wir haben so viele Jahre Seite an Seite gekämpft. Ich verdanke dir mein Leben, weil du mich gewandelt hast , und ich bin froh, dass ich dich endlich gefunden habe.« Rayhan, der im Herzen ein stolze r Krieger war , fielen diese ehrlichen Worte nicht leicht, doch sein Blick verriet, dass er die Wahrheit sprach.
»Du hast dich verändert.« Maroush blickte ihn an, als s ä he er ihn zum ersten Mal. Er hatte die große und massive Gestalt eines Krieger s , trug seine schwarzen Haare kurz und den Bart gestutzt.
Seine Augen waren aber nicht die seines Bruders. Zwar ebenso mandelförmig, aber ihre Farbe war blau – tiefblau wie das aufgewühlte Meer nach einem Hurrikan. Sie blickten durchdringend, aufs Ä ußerst e konzentriert. Und seine Haut hatte die gebräunte Tönung eines Marokkaners. Doch während Maroushs Ausstrahlung die eines Mannes war, der seine Mitte gefunden hatte und ausgeglichen schien, weil er seiner Lebensgefährtin begegnet war, verströmte Rayhan Risiko und Abenteuerlust. Er war gefährlich und gerade das machte ihn so anziehend.
»Du hast mich gesucht, Bruder?«
»Ja . Du hast es gut verstanden, dich zu verstecken. Erst als ich hörte, dass einige Krieger das Diarium gefunden haben und ein Marokkaner zu dieser Gruppe gehört, wusste ich, dass ich deine Fährte aufgenommen habe.«
»Wer hat dir diese Information gegeben?« Obwohl Maroush seinem Bruder glauben wollte, hörte Rayh an Misstrauen aus seinem Mund.
»Sein Name ist James Thomson. Ich habe ihn in Paris kennengelernt. Er hatte die Information, dass ihr in Köln seid, daher habe ich euch dort aufgelauert, wenn du es so nennen willst.«
Rayhans Erläuterungen klangen in Maroushs Ohren glaubwürdig. Ohnehin hatte er nie starken Zweifel an den Worten seines Bruders hegen können. Er erhob sich und reichte ihm die Hand.
»Ray, ich bin froh, dich in unseren Reihen zu wissen. Dich nach all den Jahrhunderten wiederzusehen , erfüllt mein Herz mit Freude.« Er gab seinem Bruder die Hand und klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter.
Rayhan nickte ihm zu und sein Herz füllte sich ebenfalls mit etwas, das er nicht genauer bezeichnen konnte. Doch es war etwas, d as er
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