Infinity (German Edition)
Kopf? Als ob es irgendeine Bedeutung hätte, was Alen für ein Sternzeichen hatte. Ein dumpfer Kopfschmerz kroch hinter ihren Schläfen hoch. Sie presste die Hände dagegen.
Nach und nach tauchten immer mehr Namen auf, die sie kannten. Simon aus der Parallelklasse, den es bei der Schlägerei auf der Party am schlimmsten erwischt hatte. Robert und Alex, die auch dabei gewesen waren und sich wie alle an nichts mehr erinnern konnten. Zwei Mädchen aus der Maturaklasse, nur ein Jahr älter als Klara … und da war Jonas. Auch er stand auf der Liste.
Lucie sprang neben ihr mit einem Keuchen auf. Hatte sie ihren Namen auch entdeckt? Klara blinzelte. Sie wollte nicht weiterlesen. Lucie war nur zwei Monate und sieben Tage älter als sie selbst. Das Dokument war beinahe zu Ende. Der Seitenanzeiger am rechten Rand stand schon ganz unten. Vielleicht … Es konnte doch durchaus sein, dass sie selbst nicht auf der Liste stand! Warum war sie davon ausgegangen? Nur weil ihre Freunde alle dabei waren? Das war ein Indiz, erhöhte die Wahrscheinlichkeit. Aber es war doch kein Grund. Ihr Herzschlag trommelte gegen ihre Schläfen. Eine Zeile noch. Dann war Schluss.
Klara Schäfer, 12.2.1992.
Sie starrte auf ihren Namen. Er war der letzte in der Reihe. Nach ihr kam niemand mehr. Schweiß brach ihr aus allen Poren. Was hatte diese Liste zu bedeuten? Was geschah mit den Personen, die hier angeführt waren? Wurden sie alle nach und nach verrückt? Zu Schlägern mit Gedächtnisverlust? Würden sie alle getötet werden wie Richi? Oder ins Koma fallen wie Jonas?
Hatten Alen, Lucie und diejenigen, die noch nicht von den Wutanfällen betroffen waren, bisher nur Glück gehabt? Oder gab es eine vorbestimmte Reihenfolge?
Sie fühlte sich, als hätte sie eben ihr Todesurteil erfahren. Mit geschlossenen Augen presste sie die Hände gegen ihren hämmernden Kopf. Sie musste nachdenken. In Ruhe. Panik nutzte niemandem etwas.
Neben ihr hörte sie ein Schluchzen. »Scheiße! Hätte ich diesen beschissenen Code nur nie geknackt! Wozu wolltet ihr überhaupt wissen, was in dieser blöden Datei steht? Was habt ihr jetzt davon? Geht’s euch nun besser? Hä? Mir nicht! Ganz und gar nicht, verdammte Scheiße noch mal!«
In Klara breitete sich plötzliche Stille aus. Wie damals im Partykeller bewirkte Lucies Geschrei, dass jeder Gedanke in ihrem Kopf ausgelöscht schien. Sie hatte nur ein Ziel: Ordnung in das Chaos zu bringen. Sie packte Lucie an den Schultern und drückte sie auf den Stuhl zurück. Suchend schaute sie sich nach Alen um.
Er war nicht mehr da. Und noch etwas stimmte nicht.
»Alen?« Im selben Augenblick wusste sie, was sie irritierte. Im gesamten Gebäude war es stockdunkel. Nur im Labor brannte noch Licht. Mit einem Schritt war sie bei Lucie, die in sich zusammengesunken vor dem Computer hockte und auf die Liste starrte. »Alen ist verschwunden. Und wir sollten auch nicht länger hier sein. Los jetzt, Lucie, reiß dich zusammen und steh auf.«
Ihre Stimme war fest. In ihrem Kopf tickte ein Uhrwerk. War eine Sicherung ausgefallen? Dann hing das Labor offenbar an einem anderen Stromkreis. Oder war es Absicht? Ihre Augen würden zu lange brauchen, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Sobald sie aus dem Labor traten, würden sie blind sein.
Klara versuchte, sich die Einrichtung genau einzuprägen. »Bleib dicht hinter mir«, raunte sie Lucie zu. Sie durchquerte den Raum bis an das hintere Ende, das von der Tür aus nicht einzusehen war. Dann schob sie sich die Wand entlang bis zum Lichtschalter und drückte darauf. Wie erwartet hüllte sie sofort völlige Finsternis ein.
»Was … Scheiße!«
Etwas schepperte. Glas fiel klirrend auf den Boden und zersplitterte. Ein schwerer Gegenstand rammte ihr Schienbein.
»Verdammt! Ich hab gesagt, du sollst stehen bleiben«, zischte sie Lucie heiser zu.
»Blödes Schaf – bin ich doch!«, kam es gepresst zurück.
»Was war dann …?«
Lucies Atem keuchte an ihrem Ohr. Sie spürte die feuchte Wärme. Nah. Viel zu nah. Ein leises Rascheln streifte ihren Arm, ihre Hüfte. Augenblicklich überzog Gänsehaut ihren ganzen Körper. Immer noch war sie wie von einer schwarzen Mauer umgeben. Noch viel länger, als sie vermutet hatte, benötigte sie, um im Dunkeln endlich etwas erkennen zu können. Der Vorteil, den sie sich verschaffen wollte, indem sie ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnte, solange sie noch im Labor waren, entpuppte sich als Schuss nach hinten. Das Bedürfnis, einfach nur
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