Infiziert
Fensteröffnung fast nicht mehr erkennbar war. Die Flammen schossen mindestens sechs Meter in die Höhe. In der Wohnung würde nichts mehr zu finden sein.
Inmitten des lärmenden Durcheinanders ging Dew ruhig zu seinem Buick. Er fädelte sich durch das Gewirr von Einsatzfahrzeugen und verließ den Parkplatz genau in dem Augenblick, als der erste Wagen der Feuerwehr um die Ecke bog.
Er schloss sich geradezu in seinem Buick ein, indem er sich ganz auf Dawseys angesengte Landkarte und das fein säuberlich darauf eingetragene Symbol konzentrierte. Es sah genauso aus wie das Symbol, das in Dawseys Arm geritzt war. Die Worte Das ist der Ort standen ebenso säuberlich in blauer Tinte daneben. Es war nicht dieselbe Handschrift, in der Das ist der Ort auf der Karte in Dawseys Wohnung gestanden hatte. Diese Schrift war ordentlich und sorgfältig.
Die Schrift einer Frau.
»Scheiße«, flüsterte Dew. Dawseys Fluchtroute war kein Zufall. In jener Wohnung hatte sich ein weiteres infiziertes Opfer befunden, ein Opfer, das wahrscheinlich noch immer dort lag und nach und nach völlig verbrannte. Diese Frau hatte Dawsey Unterschlupf geboten. Die beiden hatten zusammengearbeitet.
Es war sehr wohl möglich, dass sie einander schon vor der Infektion gekannt hatten, schließlich wohnten sie im gleichen Gebäudekomplex. Aber wenn sie einander nicht gekannt hatten, bevor sie von den Dreiecken befallen wurden, dann bedeutete das, dass sich die Opfer irgendwie gegenseitig finden und dass sie einander helfen konnten.
Und wichtiger noch: Wenn sie einander nicht gekannt hatten, bestand die Möglichkeit, dass sie beide unabhängig voneinander beschlossen hatten, nach Wahjamega zu gehen. Und wenn das der Fall war, lautete der einzig mögliche Schluss, dass sie wegen ihrer Infektion dorthin fahren wollten.
Oder vielleicht wollte die Infektion dorthin gehen.
Er hörte Margarets Worte in seinem Kopf: Sie bauen etwas, hatte sie gesagt.
Dew dachte an die brennende Kreatur, die aus dem Fenster im dritten Stock gefallen war. Dann griff er nach seinem großen Handy.
Murray meldete sich nach dem ersten Klingeln. »Hast du ihn erwischt?«
»Wir haben ihn«, sagte Dew. »Er lebt, genau wie du es wolltest. Doch seit Kurzem steht viel mehr auf dem Spiel. Hör zu, L. T., hör gut zu. Ich brauche Leute in Wahjamega, Michigan, und ich brauche sie sofort. Keine Dilettanten von den ATF oder der CIA. Ich brauche Marines oder Green Berets
oder verdammte Navy SEALs, aber besorg mir die Leute, mindestens einen Zug und dann eine Division, und zwar so schnell, wie du sie hinschaffen kannst. Komplette Kampfausrüstung. Auch Feuerunterstützung. Artillerie, Panzer, alles. Und Hubschrauber, jede Menge Hubschrauber.«
»Dew, was für eine Scheiße läuft da ab?«
»Und dieser Satellit, ist er inzwischen auf Wahjamega ausgerichtet?«
»Ja«, sagte Murray. »Er hat den Ort bereits einmal überflogen. Die Jungs von der Auswertung sehen sich gerade die Aufnahmen an.«
»Ich werde ein Symbol fotografieren und es dir schicken, sobald ich aufgelegt habe. Die Jungs von der Auswertung sollen danach suchen, verstanden?«
»Ja, verstanden.«
»Und ich will einen Van, der direkt mit dem Satelliten verbunden ist. Er muss in dreißig Minuten vor Ort sein. Und es wäre besser, wenn mich innerhalb der nächsten fünfzehn Minuten ein Hubschrauber abholt. Es ist mir scheißegal, wenn wir Truppen von der Luftraumüberwachung abziehen müssen, du schaffst mir so schnell wie möglich diesen Hubschrauber ran.«
»Dew«, sagte Murray leise, »so schnell kann ich das alles nicht besorgen, und du weißt das.«
»Doch, du kannst«, schrie Dew in sein Handy. »Verdammt, du besorgst mir die Sachen sofort! Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine Scheiße ich gerade gesehen habe.«
88
Zeit für die Party
Es war das dritte Mal, dass er das Symbol gesehen hatte, nur diesmal hatte es niemand auf eine Landkarte gekritzelt oder in menschliche Haut geritzt.
Diesmal befand es sich auf einer Satellitenaufnahme.
Vier Stunden nachdem er auf Perry Dawsey geschossen hatte, trug Dew Phillips Stiefel und stand auf einer unbefestigten, gefrorenen Straße neben einem Humvee. Eine Landkarte und mehrere Satellitenaufnahmen lagen auf der Motorhaube des Fahrzeugs. Wegen der eisigen steifen Brise, die durch den Winterwald brach, waren die Bilder mit Steinen beschwert worden.
Zu beiden Seiten der Bruisee Road standen Bäume, die von dichtem Unterholz, zerfallenden Baumstämmen und dornigen
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