Infiziert

Sträuchern umgeben waren. Nackte Zweige bildeten einen skelettartigen Baldachin über der Straße und machten die dunkle Nacht noch dunkler. Gelegentliche starke Böen rissen nasse Schneeklumpen von den Bäumen und schleuderten sie auf die Versammlung darunter: zwei Humvees, ein unmarkierter schwarzer Funkwagen und sechzig bewaffnete Soldaten. Dew war umgeben von den Kommando- und Zugführern der Bravo-Kompanie des 1-187. Infanteriebataillons. Die Mitglieder des Bataillons wurden auch als »Leader Rakkasans« bezeichnet und gehörten zur Dritten Brigade der 101. Luftlandedivision, die in Fort Campbell, Kentucky, stationiert war. Die Rakkasans bildeten die gegenwärtige Schnelle Eingreiftruppe – die Division Ready Force oder DRF –, ein Bataillon, das innerhalb von sechsunddreißig
Stunden überall auf der Welt eingesetzt werden konnte. Die Tatsache, dass das Operationsgebiet nur 620 Meilen von Fort Campbell entfernt war – und nicht Tausende von Meilen jenseits eines der Ozeane –, sorgte dafür, dass die Truppe umso schneller vor Ort war.
    Zwei C-130-Hercules-Transportflugzeuge des 118. Nachschubbataillons waren weniger als zwei Stunden nach Dews panischem Anruf bei Murray Longworth in Nashville gestartet. Die C-130er waren dreißig Minuten nach dem Start auf dem Militärflughafen bei Fort Campbell gelandet. Weitere dreißig Minuten später waren sie mit dem ersten Kontingent Soldaten des 1-187. Bataillons in Richtung des städtischen Flughafens von Caro gestartet, der nicht ganz zwei Meilen von der Stelle entfernt war, an der Dew jetzt stand.
    Auch jetzt landeten noch weitere C-130er auf dem winzigen Flughafen. Es würde noch etwa fünfzehn Flüge und mehrere Stunden dauern, um die gesamte Task Force vor Ort zu schaffen. Doch Dew würde nicht auf das vollständige Bataillon warten. Vier Transporte waren bereits abgeschlossen. Er hatte 128 Soldaten und vier Humvees. Das waren die Truppen, die ihm zur Verfügung standen, das waren die Männer, die er mit in den Kampf nehmen würde.
    Die Gesichter der meisten Soldaten waren ernst, und einige verrieten sogar ein wenig Furcht. Doch ein paar dachten immer noch, es handle sich um eine unangekündigte Übung. Dew wusste, dass die Soldaten hervorragend ausgebildet waren, doch alles Training der Welt bedeutete überhaupt nichts, wenn man noch nie einen realen Einsatz mitgemacht hatte. Wenigstens die Kommandoführer hatten bereits an richtigen Kämpfen teilgenommen, wie er an ihren ruhigen Mienen und den harten Augen erkannte, doch
die meisten ihrer Männer strahlten die unangenehme Aura von Neulingen aus, die noch nie in einer Schlacht gewesen waren.
    Ihr Führer war Bataillonskommandeur Lieutenant Colonel Charles Odgen. Üblicherweise wurde die erste Kompanie, die zum Einsatz kam, von einem Captain geführt, doch die Bedeutung der Aufgabe, der unbekannte Feind und die Tatsache, dass die Operation auf amerikanischem Boden stattfand, verlangten Odgens direkte Beteiligung. Odgen war ein hagerer Mann Mitte vierzig. Er war so dürr, dass ihm der Kampfanzug fast schlaff vom Leib hing. Er sah weniger wie ein Soldat im Einsatz als vielmehr wie ein Kriegsgefangener aus, doch er bewegte sich rasch, sprach voller Autorität, und seine Miene zeigte keinerlei Schwäche. Seine hagere Statur war trügerisch: Er konnte es mit jedem der jungen Männer in seiner Einheit aufnehmen, und alle wussten das. Dew konnte spüren, dass Odgen schon im Kampf gewesen war, und das mehr als einmal. Er war dankbar dafür, dass ein erfahrener Schlachtveteran die Verantwortung trug.
    »Warum hier?«, fragte Odgen. »Was ist an diesem Ort so Besonderes?«
    »Da fragen Sie mich was«, sagte Dew. »Wir wissen nur, dass es Fälle in Detroit, Ann Arbor und Toledo gegeben hat. Von allen diesen Städten aus ist Wahjamega leicht zu erreichen. Und es gibt hier jede Menge Weideland und Wälder, ein riesiges Gebiet, in dem man sich verstecken kann. Wir glauben, dass sie sich hier sammeln, entweder die menschlichen Wirtsorganismen oder die frisch geschlüpften Kreaturen oder möglicherweise beide.«
    Nachdem er mit dem Hubschrauber in Ann Arbor gestartet
war, hatte Dew mit Murray gesprochen und ihm das Wenige mitgeteilt, was sie über die Kreaturen wussten. Zunächst hatte Murray verlangt, dass Dew diese Informationen gegenüber den Bodentruppen verschwieg, da sie »nicht die notwendige Sicherheitsüberprüfung durchlaufen« hatten, doch Dew hatte sich dagegen gewehrt und die Auseinandersetzung schnell gewonnen.