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Infiziert

Infiziert

Titel: Infiziert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Sigler
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Ferne war jeder zuckende Muskel deutlich sichtbar. Er hüpfte auf seinem blutüberströmten rechten Bein, wobei er bei jedem Sprung eine erstaunliche Distanz zurücklegte. Die ganze Zeit über hing sein linkes Bein schief und schlaff herab. Verbrennungen dritten Grades bedeckten seinen rechten Arm. Er hatte keine Haare mehr, sein Kopf war nur noch von verkrusteten schwarzen Flecken und Brandblasen bedeckt wie von einem gierigen Gewächs. Ein langer Streifen schwarzen Schleims zog sich über seine Brust. Er schien aus einer purpurnen Wunde über seinem rechten Schlüsselbein zu kommen, die die Größe eines Softballs hatte.
    Aus einer Stelle, an der sich sein Penis hätte befinden sollen, strömte Blut über beide Beine.
    Doch der größte Albtraum waren das Gesicht und die Augen, Augen, die kalt und intensiv blickten wie ein Raubtier und die zugleich wild und von Panik erfüllt waren wie eine Beute auf der Flucht. Ein Mund, der sich nicht entscheiden konnte, ob er wütend knurren oder schreien sollte, ein
Mund, der offen stand, und Lippen, die sich von den Colgate-weißen Zähnen zurückgezogen hatten, die in der nachmittäglichen Sonne funkelten.
    All das sah Dew in weniger als zwei Sekunden. Ein kurzer Augenblick, in dem diese Einzelheiten aufragten wie die erhöhten Buchstaben auf einem Namensschild aus Messing.
    Dieser Blick. Dieser Gesichtsausdruck. Genau wie Brewbaker. Genau wie der Mann, der Mal getötet hatte.
    Eine einzige Kugel Kaliber 45, und Dawseys Kopf würde in einer Wolke aus Blut und Hirnmasse explodieren. Jemand musste für Mals Tod bezahlen, und dieser verrückte Scheißer war genau der richtige Kandidat.
    Dew zielte auf das psychotische Lächeln.
    Sein Finger umschloss den Abzug.
    Dawsey stürmte auf ihn zu.
    Ein Schuss, ein einziger Schuss … verdammt, Mal, ich vermisse dich so sehr.
    Doch Dew hatte seine Befehle.
    Er senkte die Waffe und drückte ab.
    Die Kugel schlug in Dawseys rechte Schulter und wirbelte ihn herum wie eine Rupfenpuppe. Er machte eine fast vollständige Drehung, bevor er zu Boden stürzte und sein dampfendes Blut den schmutzigen Schnee der Auffahrt zum Schmelzen brachte. Die Landkarte flatterte zu Boden.
    Dew senkte die Waffe und begann, nach vorn zu gehen, blieb dann jedoch plötzlich stehen. Ungläubig sah er zu, wie Dawsey sich hochrappelte, bis er schließlich wieder auf seinem unverletzten Bein stand. Seine Miene hatte sich nicht im Geringsten verändert. Im Chaos der Gefühle, die sich auf seinem Gesicht abzeichneten, waren weder Überraschung noch Todesangst zu erkennen. Die Augen weit aufgerissen
und wahnsinnig grinsend, hüpfte Dawsey mit zitternden Muskeln auf seinem gewaltigen Bein auf Dew zu.
    Dew hob die .45er. Es gab eine Stelle, auf die er schießen konnte, sodass dieser Junge nicht wieder aufstand.
    »Keine Frage, du bist ein verdammt zäher Bastard«, sagte Dew leise und drückte den Abzug.
    Die Kugel traf Perrys Knie, dasselbe Knie, das seine Footballkarriere beendet hatte. Die schon einmal gebrochene Kniescheibe verwandelte sich in einen Haufen Knochensplitter. Die Kugel durchtrennte den Knorpel, wurde vom Oberschenkelknochen abgelenkt und trat, umgeben von einer dichten Blutwolke, an der Rückseite des Beins wieder aus.
    Perry sackte zusammen. Er fiel mit dem Gesicht voran auf den schneebedeckten Bürgersteig, rutschte noch ein Stück nach vorn und blieb etwa einen Meter vor Dew liegen. Diesmal stand er nicht mehr auf. Schwer atmend starrte er Dew an, und das wahnsinnige Todesgrinsen stand ihm unverändert im Gesicht.
    Und seine Faust umklammerte noch immer seinen Penis.
    Vorsichtig trat Dew das Feuer aus, das immer noch an der Landkarte nagte, und hob sie hoch. Den Lauf auf Dawseys grinsendes Gesicht gerichtet, sah er die Karte an. Sie war an einigen Stellen völlig verbrannt, doch die rote Linie, die von Ann Arbor nach Wahjamega führte, war immer noch deutlich erkennbar. Ebenfalls rot war das seltsame Symbol, das wie ein japanisches Schriftzeichen aussah.
    Dew sah Dawsey an. Dasselbe Symbol – an einigen Stellen verschorft, an einigen Stellen blutend – war in seinen Arm geritzt.
    Dew hielt die Karte so, dass Perry sie sehen konnte.

    »Was ist dort?«, fragte Dew. »Was, zum Teufel, wollten Sie an diesem beschissenen Ort? Was bedeutet dieses Symbol? «
    »Jemand klopft an die Tür«, sagte Perry mit Singsangstimme. »Jemand klingelt. Tun Sie mir einen Gefallen, öffnen Sie die Tür und lassen Sie ihn rein.«

86
Eine kostenlose Fahrt
    Drei graue Vans

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