Infiziert
Körperteile waren inzwischen von der schwarzen Verwesung befallen, doch an einigen Stellen war sie noch nicht ganz so weit fortgeschritten. Eine dieser Stellen war die Hüfte. Sie nahm die Kamera vom Instrumententisch und gab sie Amos.
Er deutete auf die Hüfte, auf die kleine Läsion, die sie zuvor schon gesehen hatten.
»Margaret, sieh dir das an.« Er kniete nieder und machte eine Aufnahme.
»Ich sehe es. Du hast es mir schon gezeigt.«
»Ja, aber siehst du jetzt irgendetwas anderes?«
Margaret seufzte. »Amos, bitte nicht noch mehr Dramen. Wenn du etwas zu sagen hast, dann sag es.«
Er antwortete nicht. Stattdessen richtete er sich auf, fummelte an der Kamera herum und trat schließlich neben sie,
sodass sie beide Schulter an Schulter standen und den kleinen Bildschirm der Kamera sehen konnten. Der Bildschirm zeigte eine Nahaufnahme der Läsion, aus der eine winzige blaue Faser ragte.
»Na und?«, sagte Margaret. »Wir müssen noch jede Menge erledigen, bevor sein Körper nur noch Schleim ist, Amos.«
»Das ist das Foto, das wir gemacht haben, als wir dieses Ding entdeckt haben«, sagte er und drückte auf den Vorlaufknopf der Kamera. Eine neue Aufnahme erschien. »Und das ist das Bild, das ich gerade eben gemacht habe.«
Margaret starrte darauf. Die beiden Bilder sahen genau gleich aus – mit einer Ausnahme. Das zweite Foto zeigte nicht eine Faser, sondern drei. Eine kleine rote, eine kleine blaue und die ursprüngliche blaue, die dreimal so lang war wie zuvor.
Obwohl Martin Brewbaker tot war, wuchsen die Fasern immer noch.
19
Nichts als Ärger
Um die Mittagszeit begannen diese verdammten Dinger wieder zu jucken, und Perry musste sich fragen, ob er nicht zu einem Arzt gehen sollte. Aber das alles war nichts weiter als ein bisschen Ausschlag. Was für ein Weichei musste man sein, dass man wegen ein bisschen Ausschlag zum Arzt ging? Was blieb einem denn, wenn man keine Selbstdisziplin hatte?
Er war immer sehr gesund gewesen. Seit der sechsten Klasse hatte er sich nie mehr erbrochen – wenn nicht gerade Alkohol im Spiel war. Während andere eine Grippe bekamen, hatte Perry nichts weiter als eine laufende Nase und ein leicht unwohles Gefühl im Magen. Während andere sich wegen jeder Kleinigkeit krankmeldeten, hatte Perry seit drei Jahren keinen einzigen Arbeitstag verpasst. Diese Widerstandsfähigkeit hatte er genauso von seinem Vater geerbt wie seine Körpergröße.
Perry war fünfundzwanzig, als der Krebs Jacob Dawsey, dem zähesten Hurensohn seit Brian Urlacher, schließlich den Rest gab. Bis zur letzten Fahrt in die Klinik, aus der er nicht mehr zurückkommen sollte, war Jacob Dawsey in seinem ganzen Leben nur an einem einzigen Tag nicht zur Arbeit erschienen. An jenem Tag hatte Perry seinem Vater den Kiefer gebrochen.
Perry war von einem späten Footballtraining nach Hause gekommen und hatte seinen Vater dabei erwischt, wie er seine Mutter schlug. Die ganze Woche über hatte es immer wieder einige Stunden lang geschneit, sodass genügend Schnee liegen geblieben war, der in weißen Flecken das spärliche Gras bedeckte, aber nicht so viel, dass die schmutzige Straße, die zum Haus führte, darunter verschwunden wäre. Die Straße schimmerte kalt und nass.
Sein Vater hatte seine Mutter von der Vorderveranda in eine Pfütze voller Schneematsch geworfen und wollte sie gerade mit seinem Gürtel schlagen. Die Szene hatte nichts Neues für Perry, und bis heute wusste er nicht, warum er gerade diesmal durchgedreht war und sich zum ersten Mal in seinem Leben der rasenden Wut seines Vaters entgegengestellt hatte.
»Ich werde dir zeigen, wer hier das Sagen hat, Frau«, sagte Jacob Dawsey, als er seinen Gürtel krachend nach unten peitschen ließ. »Man gibt euch Weibern den kleinen Finger, und ihr nehmt die ganze Hand. Verdammt, was glaubst du denn, wer du bist?« Obwohl sein Vater sein ganzes Leben im nördlichen Michigan verbracht hatte, besaß er einen ganz schwachen schleppenden Akzent, der eher zu einem Mann aus dem Süden gepasst hätte.
Zu jener Zeit war Perry im zweiten Jahr auf der Highschool. Er war bereits über einen Meter achtzig groß, wog 200 Pfund und wuchs immer noch wie Unkraut. Er war kein Gegner für die 265 Pfund solider Muskelmasse seines Vaters, der über einen Meter neunzig groß war. Trotzdem stürmte Perry auf ihn zu, sprang ihn an und riss ihn mit sich zu Boden auf die baufällige Vorderveranda. Um sie herum ging das Holzgitter zu Bruch.
Perry kam als Erster wieder hoch.
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