Infiziert
sein Freund seine Arbeit erledigen.
Als er das Büro verließ, spürte er die Blicke aller Mitarbeiter auf seinem Rücken. Frustriert und mit rotem Gesicht ging Perry zu seinem Wagen und fuhr nach Hause.
20
Zu wenig Leute
Es war kaum zu glauben, dass Murray ihn erst vor sieben Tagen angefordert hatte. Vor sieben Tagen hatte er noch nichts von Dreiecken, Margaret Montoya oder Martin Brewbaker gehört. Vor sieben Tagen hatte sein Partner noch nicht in einem Bett in einer Klinik gelegen, in das – wie man die Sache auch immer drehen und wenden mochte – Dew selbst ihn gebracht hatte.
Sieben Tage also war es her, seit Murray sich bei ihm gemeldet hatte. Vor langer Zeit hatten sie Seite an Seite gekämpft, aber nach Vietnam hatten sie eigentlich kaum mehr Kontakt gehalten. Wenn Murray anrief, konnte das nur eines bedeuten: Er wollte, dass etwas erledigt wurde … etwas Unappetitliches. Etwas, bei dem man hinterher Dreck unter den Fingernägeln hatte. Etwas, das Murray mit seinem maßgeschneiderten Anzug und seinen manikürten Händen nicht selbst erledigen wollte. Aber sie waren zusammen in der Hölle gewesen, und obwohl Murray in der CIA die
Karriereleiter hinaufgeklettert war und alles unternommen hatte, den durch die Scheiße watenden Lieutenant, der er in Vietnam gewesen war, hinter sich zu lassen, antwortete Dew immer auf Murrays Anrufe.
Sieben Tage also war es her, dass Dew in Murrays Vorzimmer gestanden, die knapp zwanzigjährige rothaarige Sekretärin betrachtet und sich gefragt hatte, ob Murray mit ihr ein Verhältnis hatte.
Sie hatte aufgeblickt, ihn mit ihren funkelnden grünen Augen angesehen und ihm ein echtes Lächeln geschenkt. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
Irischer Akzent, dachte Dew. Wenn er es nicht mit ihr treibt oder es wenigstens versucht, muss er impotent sein.
»Ich bin Agent Dew Phillips. Murray erwartet mich.«
»Natürlich, Agent Phillips. Gehen Sie gleich rein.« In vertraulichem Ton hatte die Rothaarige hinzugefügt: »Sie sind ein paar Minuten zu spät, und Mister Longworth hasst Verspätungen. «
»Tatsächlich? Ist das nicht furchtbar? Da muss ich mir doch wirklich einen Terminplaner besorgen.«
Dew betrat Murrays großzügiges, spartanisch eingerichtetes Büro. Eine von Kugeln durchsiebte amerikanische Flagge schmückte eine der Wände. An der gegenüberliegenden Wand hing eine Reihe von Fotos, die Murray mit jedem der letzten fünf Präsidenten zeigten. Sie wirkten wie Einzelbilder aus einem Film, der darstellte, wie Murray älter wurde und sich von einem muskulösen jungen Mann zu einem mehr als nur leicht übergewichtigen knorrigen Typ mit kalten Augen entwickelte.
Dew fiel auf, das kein Einziges dieser Fotos Murray in seiner Armeeuniform zeigte, weder im Kampfanzug noch in
Ausgehkleidung. Murray wollte jene Zeit vergessen, wollte vergessen, wer er gewesen war und was er getan hatte. Dew selbst konnte nicht vergessen – und er wollte es auch nicht mehr. Es war ein Teil seines Lebens gewesen, und dann hatte er sich weiterentwickelt. Jedenfalls zu einem guten Teil.
Er erinnerte sich an die Flagge an Murrays Wand und an den Stützpunkt, wo er, Murray und sechs weitere Männer die einzigen Überlebenden einer ganzen Kompanie gewesen waren, und natürlich erinnerte er sich an den Kampf auf Leben und Tod, den er mit der Wildheit eines tollwütigen Tieres geführt hatte. Am Ende, kurz bevor die Hubschrauber eintrafen, war es fast so gewesen wie im Ersten Weltkrieg – ein Kampf Mann gegen Mann in nassen, mit Sandsäcken verstärkten Schützengräben um zwei Uhr nachts, die Sterne hinter Wolken verborgen, aus denen unablässig der Regen strömte, der den Stützpunkt in ein Meer aus Schlamm verwandelte.
Murray Longworth saß hinter dem langen, schmucklosen Eichenschreibtisch, auf dem einzig ein Computer stand. Möbelpolitur ließ die leere Tischplatte schimmern.
»Heya, L. T.«, sagte Dew.
»Weißt du, Dew, ich würde es schätzen, wenn du diesen Spitznamen nicht benutzen würdest. Wir haben doch schon über dieses Thema gesprochen.«
»Klar«, sagte Dew. »Anscheinend vergesse ich das immer wieder.«
»Setz dich.«
»Sieht wirklich nett aus hier. Du hast dieses Büro jetzt seit ungefähr vier Jahren, oder? Schön, dass ich es auch mal sehe.«
Murray schwieg.
»Wie lange ist es her, seit wir zum letzten Mal miteinander gesprochen haben, L. T.? Sieben Jahre? Ist es wirklich schon sieben Jahre her, seit du etwas von mir gewollt hast? Gibt es wieder Probleme mit deiner
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