Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Infiziert

Infiziert

Titel: Infiziert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Sigler
Vom Netzwerk:
Karriere, ist es das? Brauchst du den guten alten Dew, der deinen Arsch aus der Schusslinie zieht, damit du gut aussiehst? Ist es das?«
    »Diesmal nicht.«
    »Klar, L. T., klar. Weißt du, ich bin nicht mehr so jung wie früher. Könnte sein, dass mein Körper deine Drecksarbeit nicht mehr mitmacht.«
    Dew trat vor die Flagge. Ein brauner Fleck hatte die linke obere Ecke verschmiert. Nur Schlamm aus dem Delta, erzählte Murray allen, die danach fragten. Aber es war kein Schlamm, und Dew wusste das besser als jeder andere. Die Flagge war einst an einem Mast befestigt gewesen, den Dew benutzt hatte, um einen Vietcong zu töten, dem er die Messingspitze in die Därme gerammt hatte, als sei er ein Speerkämpfer aus irgendeinem primitiven Stamm. Ein ähnlicher Fleck befand sich in der unteren rechten Ecke, mit der Dew erfolglos versucht hatte, das Blut zu stillen, das aus Quint Wallmans Kehle geströmt war, nachdem eine Salve aus einer AK-47 den achtzehn Jahre alten Korporal fast geköpft hatte.
    Die Flagge hatte ihnen nicht als Motivation gedient, denn damals war keiner von ihnen besonders patriotisch. Die Flagge war einfach nur an Ort und Stelle gewesen, als es zum letzten Gefecht kam und sie einen Angriff abwehrten, bis die Hubschrauber sie herausholten. Murray war als Letzter an Bord gegangen, nachdem er dafür gesorgt hatte, dass alle anderen – alle Verwundeten einschließlich Dew – in der Maschine saßen, bevor er sich um sich selbst kümmerte. Er hatte die Flagge gepackt, die blutverschmierte, angesengte,
von Kugeln durchsiebte Flagge, als er sich zurückzog. Damals wusste niemand, warum, wahrscheinlich nicht einmal Murray. Als sie begriffen, dass sie die Leichen von Freunden wie Feinden hinter sich zurückgelassen hatten, dass alles vorbei war und sie dem Tod entronnen waren, hatte die Flagge irgendwie eine größere Bedeutung gewonnen.
    Dew starrte das abgewetzte Stück Stoff an, und die Erinnerungen strömten auf ihn ein. Es dauerte einen Augenblick, bevor er begriff, dass Murray ihn leise beim Namen rief.
    »Dew? Dew?«
    Dew wandte sich blinzelnd um und war wieder in der Wirklichkeit, in der Gegenwart. Murray deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Dew dachte darüber nach, ob er sich Murray noch ein wenig widersetzen sollte, ging jedoch schließlich hinüber und setzte sich.
    Dew zog ein Tootsie Roll aus der Tasche seines Jacketts, wickelte es aus, schob sich das braune Bonbon in den Mund und ließ das Papier auf den Boden fallen. Einen Augenblick lang kaute er auf dem Bonbon herum, während er Murray anstarrte. Dann fragte er: »Hast du von Jimmy Tillamok gehört? «
    Murray schüttelte den Kopf.
    »Hat eine Kugel geschluckt. Er hat es mit einer alten 45er gemacht. Von seinem Gesicht war nicht mehr viel übrig.«
    Murrays Kopf sackte nach unten, und ein lang gezogenes Zischen entwich seinem Mund. »Mein Gott, ich hatte keine Ahnung.«
    »Kannst du dir das vorstellen?«, sagte Dew. »Er war in den letzten vier Jahren nur ein halbes Dutzend Mal auf Entzug. Es ging ihm mies, Murray. Es ging ihm mies, und er brauchte seine Freunde.«

    »Warum hast du mich nicht angerufen?«
    »Wärst du gekommen?«
    Murrays Schweigen beantwortete die Frage. Er sah vom Boden auf und erwiderte Dews steinernen Blick. »Dann sind wir also die Letzten.«
    »Ja«, sagte Dew. »Nur noch wir beide. Mann, es ist wirklich ein Segen, dass wir uns über all die Jahre hinweg so nahegestanden haben. Jetzt haben wir jemanden, auf den wir uns verlassen können. Scheiße, komm endlich zur Sache, L. T. Was willst du?«
    Murray zog einen großen Umschlag hervor und reichte ihn Dew. Er war mit PROJEKT TANGRAM beschriftet. »Könnte sein, dass wir da ein größeres Problem haben.«
    »Murray, wenn das irgendwelche Scheiße ist, bei der man mich abzuknallen versucht, nur damit es mit deiner Karriere aufwärtsgeht, dann mache ich es nicht.«
    »Ich habe dir gesagt, dass es diesmal nicht darum geht, Dew. Diesmal ist es ernst.«
    »Tatsächlich? Wessen Dreck soll ich denn wegräumen, Murray? Wer hat dir diesmal seine schmutzige Wäsche hinterlassen? «
    »Das kann ich dir nicht sagen.«
    Dew fixierte Murray mit scharfem Blick. L. T. warf nicht gerade gerne mit großen Namen um sich, so viel stand fest. Doch plötzlich war alles klar: Murray konnte es wirklich nicht sagen, und deshalb hatte er genau den Mann geholt, der alles Notwendige tun würde, damit die Sache aus der Welt geschafft wurde.
    »Heilige Scheiße«, sagte Dew. »Das kommt von

Weitere Kostenlose Bücher