Infiziert
zur ärgerlichen Gewohnheit. Wieder hatte er Kopfschmerzen. Diesmal jedoch war klar, dass sein Kater dafür verantwortlich war. Die Küchenlampen schienen ihm direkt in die Augen, und er sah die Fliegen hinter der Kunststoffabdeckung der fluoreszierenden Röhren. Die Insekten waren hinaufgeflogen um das zu tun, was Insekten in der Nähe von Licht eben tun, und dann waren sie gegrillt worden, verbrannt zu einem knackig-knusprigen Etwas.
Sein Bein schmerzte. Sein Magen knurrte. Das Erste, was ihm (abgesehen von den Insekten) auffiel, war die Tatsache, dass er seit drei Tagen nichts mehr gegessen hatte – mindestens, denn er wusste ja nicht, wie lange er diesmal bewusstlos gewesen war. Da aus dem Wohnzimmer kein Sonnenlicht hereindrang, musste es irgendwann am Abend sein.
Perry betrachtete sein Bein. Die Blutung war zum Stillstand gekommen. Das einst sportlich graue T-Shirt hatte
eine krank aussehende braune Farbe angenommen, ein Batik-T-Shirt ganz nach dem Geschmack von Marilyn Manson.
Getrocknete Blutflecken bedeckten den Linoleumfußboden; schwärzlich-braun hoben sie sich von dem strahlenden Weiß ab. Es sah aus, als sei ein Dreijähriger vom Spielen im Regen nach Hause gekommen und habe sich, mit dem Schlamm aus einer Pfütze bedeckt, über den Boden gerollt.
Dumpfer, pulsierender Schmerz hämmerte rhythmisch in seinem Bein, wie er für eine frische Wunde typisch ist, deren Heilung gerade eben begonnen hat. Es gab kein Anzeichen dafür, dass sich die Großen Sechs wieder meldeten. An all den entsprechenden Stellen spürte er weder ein Jucken noch Schmerzen. Trotzdem fühlte sich Perry nicht besser. Er wusste einfach nicht, was die Bastarde jetzt vorhatten.
»Die Großen Sechs?« Um Perrys Mundwinkel erschien die Andeutung eines nicht gerade gesunden Lächelns. »Das ist nicht ganz richtig. Ich hab wieder einen erwischt. Ihr seid nicht mehr die Großen Sechs. Jetzt seid ihr die Beunruhigenden Fünf.«
Er sah sich nach der Gabel um, die er benutzt hatte, um diese Kreatur aus seinem Körper zu ziehen. Er wollte wissen, wie das blaue Ding aussah, wenn es nicht an ihm hing wie ein Baby-Känguru im Beutel seiner Mutter.
Sein Bein schmerzte nicht nur wie verrückt, es fühlte sich auch seltsam an auf eine Weise, die er nicht genau bestimmen konnte. Was hatte das Dreieck auf seinem Weg aus ihm heraus angerichtet?
Perry rollte sich auf den Bauch und erhob sich mühsam, ohne sein verletztes Bein zu belasten. Er stützte sich auf sein gesundes Bein und lehnte sein Gewicht gegen die Küchentheke.
Dann suchte er den Fußboden nach der Gabel ab. Sie war vor den Kühlschrank gerutscht.
Er brachte einen vorsichtigen Hüpfer zustande, lehnte sich gegen den anderen Teil der Theke und beugte sich nach vorn, um die Gabel aufzuheben.
»Ich hoffe, das hat wehgetan, du kleiner Scheißer«, sagte Perry leise, während er sich seine grässliche Trophäe ansah.
Das Dreieck sah aus wie flockiger, getrockneter schwarzer Tang, der sich in tödlicher Umarmung um die Gabel schlang. Er konnte die einst dreieckige Form kaum erkennen, die jetzt wie ein lebloser Klumpen Abfall ohne Form und Funktion wirkte.
Aber es war nicht der Körper dieser Kreatur, der seine atemlose Aufmerksamkeit auf sich lenkte, dafür sorgte, dass ihm der Mund vor Überraschung offen stand und ihn mit neuer Furcht erfüllte. Es war ganz und gar nicht der Körper.
Der Schwanz der Kreatur war genauso trocken, leicht und steif wie der Körper, aber ganz an dessen Ende befand sich etwas vollkommen Unerwartetes. Hakenförmige, knochige Vorsprünge ragten aus dem Ende wie kleine Klauen oder Zähne. Vorsichtig berührte Perry einen davon. Er war scharf wie ein Messer. Scharf wie das Schlachtermesser, das er benutzt hatte, um sich selbst ins Bein zu schneiden wie ein narzisstischer Kannibale. Einige der Klauen waren nach innen gebogen. Sie wiesen sichtbare Risse und Brüche auf. Sie mussten dazu beigetragen haben, den Schwanz am Schienbeinknochen zu befestigen. Fünf der Klauen jedoch deuteten nach außen oder richteten sich in Form hässlicher Haken nach oben, in Richtung des inzwischen ausgetrockneten Kopfes.
»Aber wie sollte so etwas zu irgendeiner Verankerung beitragen? «, murmelte Perry. »Was zur Hölle ist das?«
Angewidert verzog er die Lippen, als ihm der Sinn plötzlich klar wurde. Die nach außen gerichteten, gebogenen Haken konnten nicht dazu beitragen, den Schwanz irgendwo zu befestigen. Sie würden nur das Fleisch zerreißen und zerschneiden, wenn
Weitere Kostenlose Bücher