Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)
das Bett teilen könnten.
Die Wahrheit einer Beziehung, einer Liebe, entzieht sich, und je intensiver die Beziehung ist, desto rätselhafter bleiben die Liebenden füreinander. »Ich sah in ihr Gesicht, wie ich sonst nie jemand ins Gesicht gesehen habe, sah sie an, als würde ich nie mehr wegschauen können, und sie sah mich an, ebenso endgültig.« 8 So wie Frisch es später in seinem Stück Triptychon darstellt, könnte es gewesen sein am Anfang seiner Beziehung mit Bachmann. Und der Blickkontakt bleibt bestehen, über die Trennung hinaus.
Endgültig und doch mit offenem Ausgang, das gilt auch für die Liebesgeschichte Bachmanns und Frischs. Was ihre Umgebung wahrnimmt, was Freunde glauben, sehen zu können, sind Axt und Messer, ist Blut, sind die tausend tödlichen Kleinigkeiten. Auch in dieser Kriminalgeschichte aber kommt die Wahrheit nicht dahergeschossen, wenn nach dem Warum gefragt wird. Mit den Tatsachen ist jederzeit gut argumentieren, die Wahrheit aber hat sich dezent verabschiedet.
Immer wieder in dieser Liebesgeschichte hat es sich gezeigt, wie eng die reale Beziehung von Ingeborg Bachmann und Max Frisch verwoben ist mit ihren Liebesentwürfen. Dass die Liebe als ekstatischer Zustand verhindere, dass man die Welt mit den Augen der anderen sehen könne 9 , sagt Ingeborg Bachmann. Und Max Frisch lässt seinen Roger in Triptychon davon schwärmen, was es heißt, als Paar die Welt umzudenken. Man sei dann in gewisser Weise unverletzlich, denn die Welt könne einem nichts mehr antun, auch wenn sie sich stoße am Übermut der Liebenden.
Max Frisch wollte mit Ingeborg Bachmann zusammen die Welt umdenken, die Liebe neu erfinden, überhaupt neu sein und immer eine wunderbare Zukunft im Blick haben. Nun bleibt ihm das von seiner Liebe zu Bachmann, was das Gedächtnis aufbewahrt hat, woran es arbeitet, was es irgendwann freigeben wird. Die Zukunft seiner Liebe zu Ingeborg Bachmann heißt Erinnerung, konkrete und in Fiktion verwandelte.
Ingeborg Bachmann suchte in ihrer Beziehung zu Max Frisch die ekstatische Liebe und einen Halt in der Welt.
Sie hat nun beides verloren: den Glauben an die Liebe und die Möglichkeit, in der Welt heimisch zu werden. Auch ihr bleiben bloß die konkrete Erinnerung und die Gestaltung der Beziehung im Werk.
Ausblick
Ob sich ein völlig neues Bild der Beziehung von Ingeborg Bachmann und Max Frisch wird zeichnen lassen, sollte der Briefwechsel irgendwann erscheinen können, bleibt Spekulation. Ein großes Rätsel gibt bezeichnenderweise nach wie vor die Frage auf, ob tatsächlich nirgendwo ein Foto existiert, auf dem die beiden gemeinsam zu sehen sind. Wenn man bedenkt, wie fotogen beide Schriftsteller waren, dass es unzählige Bilder gibt, auf denen sie einzeln und mit anderen Menschen, Freunden, Geliebten, Kolleginnen und Kollegen, sichtbar sind, ist es kaum zu glauben, dass nicht irgendjemand irgendwann ein Foto von ihnen geschossen haben soll.
Der Autorin bleibt zu hoffen, dass sich für die Leserinnen und Leser des vorliegenden Buchs Risse aufgetan haben im festgefügten Bild von einem völligen Scheitern der Beziehung zwischen Max Frisch und Ingeborg Bachmann, und dass sich der Raum für eine differenziertere Auseinandersetzung geöffnet hat.
Dank
Bedanken möchte ich mich bei Margit Unser vom Max-Frisch-Archiv in Zürich für ihre stets freundliche Unterstützung. Ein besonderer Dank geht an Walter Obschlager, der mich immer wieder ermutigt hat, dieses schwierige Projekt voranzutreiben. Danken möchte ich auch Hans Werner Henze (†) und Michael Kerstan für ihre Gastfreundschaft und das offene Gespräch. Ich bedanke mich bei Alexander J. Seiler, Peter von Matt, Gottfried Honegger und Marianne Frisch für die vielen Hinweise. Ebenso danke ich meinen Lektoren Thomas Tebbe und Matthias Teiting für ihr Ringen um die »richtigen« Worte und für die daraus resultierenden spannenden Gespräche. Nicht zuletzt bedanke ich mich bei meiner Familie für ihre Geduld und tatkräftige Unterstützung.
ANHANG
Editorische Notiz
Noch immer ist die Quellenlage, was die Liebesbeziehung von Ingeborg Bachmann und Max Frisch betrifft, dürftig. Die Briefe Bachmanns sind bis zum Jahr 2025 gesperrt. Der Briefwechsel Bachmann-Frisch liegt in den Archiven in Zürich und Wien. In einer Medienmitteilung vom September 2011 wurde darauf hingewiesen, dieser Briefwechsel werde »in naher Zukunft« noch nicht ediert werden können.
Eine wichtige Quelle dieser biografischen Annäherung an eine der
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