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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Vermutungen«, sagte ich. »Und die Mandanten sitzen nicht ewig hinter Gittern.«
    »Der Dicke bleibt vorerst noch für eine Weile aus dem Verkehr gezogen.« Palmer richtete seinen bebrillten Blick auf mich, und etwas besorgt bekannte er: »Einer der anderen Drahtzieher wurde allerdings vor einem Monat aus dem Gefängnis entlassen. Aber es gibt wirklich absolut keinen Grund zu der Annahme, dass er weiß, wer ihn verpfiffen hat. Das hat also nichts zu sagen.«
    Einen Moment lang sagte niemand etwas. Dann fragte ich: »Wer ist es?«
    »Harry de Kroot.«
    »Harry die Rübe?«
    »Er kommt aus Rotterdam.«
    »Da sagt man zu roten Beten kroot, rote Rüben«, erklärte Nel.
    Niemand war nach Lachen zumute. Palmer starrte auf seine Knie und sagte: »Harry betrieb die Werkstätten, drei Stück, in der Provinz, wie üblich, vorne alles sauber und hinten drin die illegalen Geschäfte. Harry war eine Art Vorarbeiter der Mechaniker, die für die neuen Fahrzeugidentifikationsnummern sorgten, aber wir vermuten, dass er auch für die Kuriere und die Transporte verantwortlich war. Er ist gefährlich.«
    »Und?«
    »Was, und? Man hat seine Fingerabdrücke nicht bei Jenny gefunden.«
    »Aber meine zum Beispiel. Das hat also nichts zu bedeuten«, warf ich ein.
    Palmer nickte. »Ich weiß. Leider haben wir keine Ahnung, wo sich Harry herumtreibt. Ein Team von zwei Leuten wurde auf ihn angesetzt, zusammen mit diesem Brigadier aus Geldermalsen. Ich glaube, im Moment hoffen sie vor allem auf einen Tipp aus dem Milieu.«
    »Jenny kannte Harry«, gab ich zu bedenken. »Würde sie ihn hereinlassen und Kaffee für ihn kochen?« Ich ließ diesen unsinnigen Gedanken sofort fallen, als ich sah, wie sowohl Palmer als auch CyberNel heftig die Köpfe schüttelten. Aber warum hätte sie sich unter einem anderen Namen auf dem Land verstecken sollen, wenn nicht deshalb, weil sie sich Richard Schauker und seine Leute vom Leib halten wollte? Ich dachte an den Zigarrenraucher im Pontiac, hielt aber den Mund.

 

7
     
     
    Die Sonne beschien die Keizersgracht. Der Sommer hatte gerade erst Einzug gehalten, und die Bäume waren noch nicht welk, verstaubt und verräuchert. Die frühsommerliche Atmosphäre weckte fast schon Heimweh nach Amsterdam in mir, bis ich die ersten Radkrallen an falsch parkenden Autos sah, mit den dazugehörigen Ausrufezeichen auf dem Seitenfenster, damit der ahnungslose Provinzler oder – vorzugsweise – Ausländer sein Auto nicht versehentlich zu Schrott fuhr. Dazu legten die Ordnungshüter einen kleinen Stadtplan, der das Opfer zu einem schmuddeligen Büro in einer Gasse am Leidseplein führte, wo ein Beamter schon alle Ausreden in sämtlichen erdenklichen Sprachen gehört hatte und den Tag damit verbrachte, ein kleines Knöllchen-Vermögen nach dem anderen zu kassieren.
    Die gediegene Rechtsanwaltskanzlei war in einem stattlichen Grachtenhaus untergebracht. Schmiedeeiserne Geländer säumten die massive Eingangstreppe, und neben der Tür hing ein schweres Kupfernamensschild, das entweder neu oder sehr gut poliert war.
    Auffällig war, dass die Firma nur einen Namen trug: Rechtsanwaltskanzlei Louis Vredeling, in dominanter Kursivschrift. Unser Yuppie-Pflichtverteidiger musste inzwischen Karriere gemacht haben, da sein Name, wenn auch als letzter, in den beiden bescheidenen Zeilen erschien, in denen unter dem Schild die Namen der sechs Partner angegeben wurden.
    Die blonde Empfangsdame ließ ihre Finger über eine Tastatur wandern, noch bevor ich ausgeredet hatte. »Sie haben keinen Termin? Meneer Niessen ist im Hause, aber ich weiß nicht ob …«
    Eine alte Dame, die schick genug aussah, um sich sowohl sämtliche Partner als auch das Gebäude leisten zu können, wurde von einem jungen Mann unter viel Rücksichtnahme zur Tür eskortiert. Ihre Schritte wurden von dem leisen Ticken ihres Stocks auf dem Marmorfußboden begleitet. Die Empfangsdame hielt die Hand über ein hauchdünnes Freisprechmikrofon vor ihrem Mund. »Können Sie mir sagen, worum es sich handelt?«
    »Natürlich kann ich das«, antwortete ich. »Sonst wäre ich nicht hier. Sagen Sie ihm, es ginge um eine Mandantin von ihm, Jennifer Kramer.«
    Ihr Gesichtsausdruck wurde abweisender. »Sind Sie von der Polizei?«
    Ihre Reaktion erstaunte mich. »Hat Meneer Niessen schon mit der Polizei gesprochen?«
    Die Empfangsdame lauschte einer Stimme in ihrem Ohr. Schließlich schob sie das Mikrofon aus dem Gesicht und sagte mit einem Plastiklächeln: »Meneer Niessen sitzt im

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