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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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verantwortlich für ungefähr die Hälfte davon. Jennifer hat die niederländischen Bosse hinter Gitter gebracht.«
    »Wussten die das?«
    »Das würde mich sehr wundern.«
    Die russische Mafia. Ein Ausflug nach Moskau, als Kurierin oder als Gesellschafterin einer der Bosse? »Und danach ist sie untergetaucht?«
    »Ja, vor drei Jahren. Sie war schwanger.« Palmer schüttelte den Kopf. »Sie war ein nettes Mädchen. Ferdie und ich sind unheimlich sauer darüber, dass jemand sie umgebracht hat. Wir wussten nicht, wo sie sich aufhielt, aber du wohnst doch direkt im Nachbarhaus. Hast du denn nichts bemerkt oder gehört? Du hast doch mit ihr geredet. Gab es denn gar nichts, wovon du im Nachhinein sagen würdest: Aha, das hat sie natürlich so gemeint, oder gab es vielleicht Anzeichen, dass sie vor irgendetwas oder irgendjemandem Angst hatte?«
    Jennifer hatte Angst gehabt, und sie war von einer dunklen Ahnung erfüllt gewesen, der Furcht vor etwas Tödlichem wie einer verirrten Kugel. Ich hatte an Bokhof gedacht, aber vielleicht wollte sie nur wegziehen, weil sie Gefahr witterte, die aus ihrer Vergangenheit stammte. Zur Polizei konnte sie nicht gehen.
    »Du denkst angestrengt nach«, sagte CyberNel.
    »Könnte es ein Leck bei der Polizei gegeben haben?«, fragte ich Palmer.
    Er warf mir einen kurzen, verächtlichen Blick zu, typisch für Polizeibeamte, wenn sie zum Beispiel an hohe Tiere oder Bürokratie denken. »Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Jenny das dachte?«
    »Sie hat ihren Bruder gebeten, eine neue Wohnung für sie zu suchen, weil sie dort weg wollte«, sagte ich.
    Palmer schwieg für eine Weile. Er rührte sich nicht. Weder fummelte er an seiner Brille herum noch schlug er die Beine übereinander. Seine Körpersprache beschränkte sich darauf, ein paar Mal den Kopf zu schütteln, zu nicken und ab und zu missbilligend oder ablehnend zu gucken. »Informanten treten vor Gericht nicht auf. Wenn alles richtig läuft, weiß niemand, wer sie sind, und ihre Informationen werden lediglich dazu benötigt, die Ermittlungen der Sonderkommissionen in die richtige Richtung zu leiten«, sagte er schließlich. »Wir selbst ermitteln nicht, wir verhaften niemanden, wir halten nur Kontakt zu unseren Informanten.«
    »Aber der Name des Informanten ist der jeweiligen Sonderkommission doch bekannt. Was ist, wenn er irgendjemandem in der Hitze der Verhaftungen entschlüpft?« Ich sah, dass er allmählich wütend wurde. »Jeder Ermittler ist in erster Linie dafür verantwortlich, seine Informanten zu beschützen. Zwar hat jeder Leitstellenmitarbeiter so seine eigenen Methoden, aber über dieses Prinzip sind wir uns alle einig.«
    Er riss sich zusammen und sagte mit nun wieder gleichmütigem Gesicht: »Natürlich wurde sie registriert. Ihr Name steht sowohl in einer Liste unserer Leitstelle als auch in einer beim ZKA.« Er unterbrach sich kurz und fuhr mit einem bewegten Unterton fort: »Ich kann nie wissen, welche Information wirklich hundertprozentig wasserdicht ist, okay? Ich weiß nur, dass Jennifer nicht aufgeflogen ist, solange wir sie betreut haben.«
    »Warum war es dann nötig, dass sie einen anderen Namen an nahm?«
    Palmer schüttelte wieder den Kopf. »Davon wussten wir gar nichts. Sie hatte ihn nicht von uns, sie muss ihn selbst irgendwo gekauft haben.«
    Das erstaunte mich. In den Niederlanden gibt es zwar keine Schutzprogramme wie in den USA, aber dennoch hilft man gefährdeten Zeugen dabei, eine andere Identität anzunehmen oder in ein anderes Land zu emigrieren. Ich war davon überzeugt gewesen, dass Jennifer zu dieser Kategorie gehört hatte.
    »Wie habt ihr sie geködert?«, fragte CyberNel.
    »Die meisten Informanten kommen auf Tipps der Sokos zu uns, nachdem sie geschnappt worden sind. Jenny arbeitete selbstständig, hatte aber einen festen Abnehmer. Sie wusste nicht, dass dieser Mann zu einer Organisation gehörte. Sie lieferte ihre Autos auf einem Parkplatz in Diemen ab.«
    »War sie gut?«, fragte CyberNel.
    »Sehr gut. Man trifft nur wenige Frauen in diesem Fach, und sicherlich keine innerhalb der organisierten Gruppen, aber Jenny konnte jedes Fahrzeug im Laufe einer Minute knacken und fahrbereit machen. Sie wurde mit den meisten Alarmsystemen spielend fertig.«
    »Aber sie wurde geschnappt«, bemerkte ich.
    Palmers Blick schweifte ab. »Ja, das erste Mal auf frischer Tat und durch puren Zufall. Sie wanderte für ein paar Wochen in den Knast, und danach behielten wir sie natürlich im Auge. Ein Jahr später

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