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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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überwältigte der Schmerz meinen Kopf und meinen ganzen Körper, Krämpfe in meinen Gliedmaßen, brennende Muskeln. Kurz darauf begann der Tod nach Seilereien, Eisenwarengeschäften und Tankstellen zu riechen. Ich versuchte, den Kopf zu bewegen, um den Schmerz in meinem Nacken zu lindern. Meine linke Hand lag eingeklemmt unter meiner Hüfte, die andere spürte ich nicht, oder der Schmerz darin verblasste zu einem Nichts im Vergleich zu dem Krampf in meinen Knien, die in einer Art lächerlicher Fötushaltung bis fast an mein Kinn angezogen waren. Ich hörte Brummen und Zischen. Meine freie Hand berührte Metall. Ich lag in einer Metallkiste. Die Geräusche waren nicht in meinem Kopf, sondern stammten von Reifen auf Asphalt und dem Brummen eines Motors.
    Mein Gehirn begann, an einer Überlebensstrategie zu arbeiten, in kleinen Schritten. Ich war nicht gefesselt, ich war einfach hinten in einen Kofferraum gepfropft worden, und wir waren unterwegs. Ich zog meine eingeklemmte Hand unter mir hervor; sie scheuerte an rauer Teppichverkleidung entlang. Ich wurstelte die andere Hand hoch an meinen Kopf und betastete meinen Schädel. Keine Knochensplitter, allerdings dumpfer Schmerz und klebriges Blut in meinen Haaren. Ich friemelte beide Hände nach unten und rieb mir über die schmerzenden Knie. Ich trug meinen Schlafanzug. Meine Füße spürte ich nicht, aber ich machte kleine Bewegungen, und meine Waden begannen zu kribbeln, als das Blut sich seinen Weg zurück in die abgeschnürten Körperteile bahnte.
    Die Luft war stickig und feucht, aber es drang genügend Sauerstoff hinein, um nicht zu ersticken. Ich tastete über die Innenseite des Kofferraumdeckels, folgte den Metallrippen und fühlte die Verdickung des Schlosses dicht über dem Rand der Kofferraumunterkante. Das Schloss war ein Rechteck aus kleinen Metallfächern und runden Formen, einem Knubbel und der Verbindungsfuge zwischen Kofferraum und Deckel, hermetisch verschlossen.
    Ich hatte irgendwann mal Yoga gemacht und versuchte, mich mithilfe von Atemübungen zu entspannen.
    Viel nutzte es nicht.
    Ich sank verkrampft und steif in mich zusammen, als sie mich rausholten. Es war düster, und der Ort hätte überall sein können. Eine Art offener Platz, dunkler Backstein, einige hohl klingende Stufen, der Lichtkreis einer Taschenlampe auf einer Tür. Zwei Männer versuchten, mich auf die Füße zu stellen, und schleppten mich, als das nicht allzu gut funktionierte, einfach zwischen sich mit. Ich hörte das Geräusch kleiner Räder auf Schienen, vielleicht von einem Tor, das geschlossen wurde. Die Lichter der Autoscheinwerfer verschwanden. Sie trugen mich durch einen kurzen Gang und brachten mich irgendwo hinein. Sie ließen mich fallen. Die Tür ging zu.
    Mein Pyjama war feucht und fühlte sich schmutzig an. Er stank nach Öl. Ich wusste nicht, wo die Feuchtigkeit herkam; ich hatte nicht in die Hose gemacht und es war eine trockene Sommernacht. Kondensflüssigkeit vielleicht, durch das Atmen im Kofferraum. Einer meiner Pantoffeln war an meinem Fuß stecken geblieben. Es fiel mir schwer, nachzudenken. Ich spürte einen filzartigen Teppichboden. Mühsam setzte ich mich auf eine Pobacke und stützte mich mit einer Hand ab. Davon wurde mir schwindelig und ich sank wieder zurück. Es war dunkel. Ich erkannte nur düstere Umrisse. Hier war es besser als im Kofferraum, die Luft war frischer. Ich wurde ohnmächtig oder schlief ein.
    Ich wusste nicht, wo ich war.
    Die Kopfschmerzen dröhnten noch in meinem Schädel. Ich sah ein graues Feld aus Teppichboden und ein Doppelbett, ordentlich bezogen und gemacht, mit blütenweißer Bettwäsche und frischen Kissen auf einer dünnen Sommerdecke. Ich verstand nicht sofort, warum ich auf dem Fußboden lag und nicht in dem Bett. Ich blickte an eine cremefarbene Decke, von indirekter Beleuchtung ringsum erhellt, und sah einen Durchgang zu einem gefliesten Bad. Offensichtlich war das hier ein Hotelzimmer. Ich bewegte meinen Kopf und hörte die Stimme einer Frau.
    »Endlich sind Sie wach. Wie heißen Sie?«
    Ich blinzelte mit den Augen und richtete mich zum Sitzen auf. Ich stöhnte leise und war inzwischen wach genug, um festzustellen, dass meine Schlafanzughose verdreht saß, aber jedenfalls meine edlen Teile bedeckte. Ich starrte eine Frau in einem niedrigen Sessel an. Sie schien um die dreißig zu sein, trug eine Art himmelblauen Pyjama und hatte ein ovales, nicht unattraktives Gesicht. Ihr dunkelblondes, gepflegtes Haar wurde von einem

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