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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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eingelegt hatte. Diese Art der Haft wies darauf hin, dass mich jemand nicht für so gefährlich hielt, dass ich gleich umgebracht werden musste, aber immerhin für gefährlich genug, um mich für eine gewisse Zeit aus dem Verkehr zu ziehen.
    Drei Stunden nach dem Mittagessen servierte man mir ein leichtes, aber gesundes Abendessen mit Perlhuhnfilet, Reis und pfannengerührtem Gemüse, dazu eine Plastikkaraffe mit wohl schmeckendem Rotwein. Diesmal hatte man auch Cassie beim Essen eingeplant.
    Die Zeit zieht sich dahin, wenn man in einem Hotelzimmer eingesperrt sitzt, selbst wenn einem ein attraktives Callgirl Gesellschaft leistet. Ich fuhr noch eine Weile fort, Cassie auszuhorchen, wurde dadurch jedoch kein bisschen schlauer. Sie behauptete, sie werde hin und wieder engagiert, um Gästen als Gesellschafterin zu dienen, die selten etwas sagten und niemals Fragen stellten. Ich war bisher der Einzige, der das tat. Sie ließ sich auch zu der Bemerkung hinreißen, dass ich der Erste war, für den das Personal Masken trug, was sie einigermaßen amüsierte. Andere Informationen über meine Bewacher oder den Ort, an dem wir uns befanden, gab sie nicht preis, doch nach und nach gewann ich die Überzeugung, dass normale Gäste sich hier freiwillig aufhielten und ich der Einzige war, der hier gefangen gehalten wurde.
    In diesem Fall war meine Unterkunft vermutlich nicht als Gefängnis konzipiert. Eine Übergangsunterkunft? Ein Versteck?
    Nachdem das Gespräch versandet und das schmutzige Geschirr durch die Luke abgeholt worden war, blieb Cassie stundenlang einladend auf einer Hälfte des Doppelbettes liegen, wohl für den Fall, dass ich von Langeweile übermannt würde. Doch ich dachte nicht so sehr an Sex als vielmehr an Methoden, wie ich hier ohne Schaden zu nehmen hinauskommen konnte. Als Cassie eingeschlafen war, durchsuchte ich mein Gefängnis.
    Es gab nichts, das ich für eine Flucht oder als Waffe hätte gebrauchen können, so dumm waren die nicht. Ein Plastikbecher auf der Ablage über dem Waschbecken, Handtücher, die man hätte aneinander knoten können, um sich aus einem Fenster abzuseilen, wenn es eines gegeben hätte, ein Stück Seife, eine Rolle Toilettenpapier: viel mehr war im Bad nicht zu holen. Im Zimmer selbst gab es noch weniger, nicht einmal Kleiderbügel.
    Ich legte mich auf meine Betthälfte und spähte durch die Wimpern hindurch zu Cassie hinüber, die anziehend aussah in ihrem blauen Pyjama, dessen Jacke zur Hälfte offen stand, um zu demonstrieren, dass sie nur wenig darunter trug. Der Effekt wurde jedoch ein wenig durch ihren Mund verdorben, der, weil sie auf dem Rücken lag, halb aufgegangen war. Mir war natürlich klar, dass sie mehr war als nur eine Gesellschafterin; sie behielt mich auch im Auge und machte es zum Beispiel schwierig, mit dem Graben eines Tunnel anzufangen.
    Als ich meine Augen wieder aufschlug, war sie weg. Kein Mädchen für Tag und Nacht.
    Es hätte ebenso gut Mitternacht wie der nächste Tag sein können. Am Licht hatte sich nichts verändert; immer noch strahlte ein indirekter, hellgelber Schein hinter Leisten an der Decke hervor. Vielleicht hatte mich der Sauerstoffmangel geweckt, ich konnte mit geschlossenen Fenstern nie richtig schlafen, geschweige denn ganz ohne Fenster. Ich ging ins Badezimmer, pulte mit zwei Fingern Stückchen der Papphülse aus der Toilettenpapierrolle und steckte sie in den Mund.
    Jetzt wo Cassie nicht mehr da war, konnte ich auch das Bett durchsuchen. Ich fand nichts. Es gab hier nichts zu finden, und raus kam man nur durch die Tür oder die Klappe in der Wand. Die Tür würden sie nicht für mich öffnen. Ich ging hinüber zur Wand und drückte auf den Knopf neben der Luke zur Durchreiche.
    Die Stimme kam, genau wie das Licht, unter den Leisten an der Decke hervor. »Ja?«
    ›Fragen kostet nichts‹ ist einer meiner Lieblingssprüche. »Einen Whisky, bitte«, sagte ich. »Mit Eis.«
    Roomservice war offenbar inbegriffen. Ich stand neben der Luke, als ich das Klicken hörte und die kleine Tür einen Spalt aufsprang. Ich zog sie weiter auf, nahm die klebrige Klorollenpappkugel aus dem Mund und drückte sie, während ich mit der linken Hand das Whiskyglas aus Plastik aus dem Schacht nahm, mit der rechten Hand in die Öffnung vor dem Federverschluss in der Seitenwand.
    Ich drückte die Luke mit dem Ellenbogen achtlos zu, drehte mich um und probierte einen Schluck von dem Drink. Ich hörte kein Klicken; vielleicht klappte es und die Pappe verhinderte,

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