Ingrid
von einem Kranz roter Locken, doch sie wirkte unsicher, als versuche sie herauszufinden, ob ich ein Betrunkener in einem verschmierten, aber leuchtenden Karnevalsorange war, der sich vollgekotzt hatte, oder ein unschuldiges Opfer von Amnesie, Verbrechen oder Wahnsinn.
Sie roch kein Erbrochenes, höchstens getrocknetes Blut. Eigentlich hätte kein Blut mehr da sein dürfen, doch ich fühlte mich, als wäre ich erneut in einem Kofferraum unterwegs gewesen und danach gegen Metallpfähle geprallt und in Stacheldraht geraten, um den Rekord im Hindernisrennen zu brechen. Ich hatte einen Geschmack nach totem Iltis im Mund und wagte es kaum, die Lippen zu öffnen, aus Angst, den Engel zu vertreiben.
»Wo bin ich?«
Sie berührte meinen Kopf. »Im Industriegebiet«, sagte sie, in der provinziellen Annahme, ihre Stadt sei die einzige auf der ganzen Welt und der Name eine überflüssige Information. Ihre Locken wippten zur Seite. »Rik, hilf mir mal, wir bringen ihn rein.«
»Da wird sich der Chef aber freuen«, sagte der Mann. »Ruf doch einfach einen Krankenwagen.« Es klang wie: Sowas fasse ich doch nicht an!
»Mir geht’s schon wieder besser«, murmelte ich. »Wenn ich nur …«
Mein roter Engel wurde wütend. »Der Chef kann mich mal! Jetzt stell dich nicht so an, Rik! Gerard!« Ihre Beine streckten sich. Ich bewegte den Kopf. Das Sonnenlicht war zu grell. Aber ich würde es wohl überleben. Ich hatte mir nichts gebrochen, es war nur mein Kopf. Das kam vom Whisky.
Die Männer halfen mir auf, wobei der Neuankömmling sich weniger Sorgen um Schmutz oder Blut machte als Rik, der mich so weit wie möglich von sich weg hielt. Zum EINGANG BÜROS, durch einen Flur und in die Toilettenräume.
Der Schwindel ebbte allmählich ab. Ich hielt mich an einem Waschbecken fest. Gerard drehte einen Hahn auf, Rik brachte mir einen Hocker. Ich ließ mich vorsichtig darauf sinken, beugte mich über das Waschbecken und hielt eine Hand unter das Wasser. Es war kalt. Ich spritzte mein Gesicht ab. Gerard hielt eine Hand auf meine Schulter gelegt. Die Beule auf meinem Kopf brannte unter dem kalten Wasser. Rik reichte mir Papierhandtücher aus einem Automaten, und Gerard verschwand. Ich fing an vor Kälte zu zittern.
Im Spiegel sah ich einen jungen Mann mit roten Wangen hereinkommen, der einen Erste-Hilfe-Kasten bei sich trug. »Was ist denn passiert?«
»Was Falsches gegessen oder getrunken«, sagte ich.
Gerard dachte, ich wollte ihn auf den Arm nehmen. »Du bist doch nicht im Schlafanzug hier gelandet, weil du was Falsches gegessen oder getrunken hast.«
Ich nahm ihm ein Handtuch aus der Hand und schaute ihn beschwichtigend an. »Ich weiß es wirklich nicht. Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Wo sind wir hier?« Ich tupfte mein Gesicht ab. Das Papier weichte auf und zerriss.
Gerard schaute mich weiterhin ungläubig an. »In Maarssenbroek.«
Maarssenbroek, an der Autobahn nach Amsterdam? »Was für eine Firma ist das?«
Der Mann mit den roten Wangen gab mir ein paar Aspirin zu schlucken. »Das hier ist die Firma Softy. Wie der Name schon sagt, entwickeln wir Software.«
Jemand klopfte an die Tür, und der Engel schaute herein. »Darf ich reinkommen?« Sie hatte einen alten Regenmantel bei sich. »Schuhe konnten wir leider nicht auftreiben. Geht es Ihnen besser?« Sie lächelte fröhlich. »Hallo, ich bin Irma Vereist.«
»Es ist nichts Ernstes«, erklärte der Erste-Hilfe-Mann.
»Ich bin Max Winter. Aus Rumpt.«
»Und wie bist du hierher geraten?«
»Ich habe einen Schlag auf den Kopf gekriegt, und danach kann ich mich an nichts mehr erinnern.«
Unter den roten Locken legte sich ihre Stirn in Falten. »Sollen wir die Polizei rufen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Rumpt?« Gerard half mir in den Regenmantel, unter dem meine nackten Füße hervorschauten. »Wo liegt das?«
»In der Nähe von Geldermalsen.«
»Soll dich jemand nach Hause bringen?«, fragte Irma.
»Ich glaube nicht, dass der Chef damit einverstanden wäre«, sagte Gerard. »Rik ist schon bei ihm, glaube ich.«
Sie lachten leise. »Sollen wir jemandem Bescheid sagen, der dich holen kommt?«
»Ja, aber ich kann auch selbst anrufen.«
Ich konnte ohne Hilfe gehen, stützte mich aber dabei mit einer Hand auf der Schulter des Erste-Hilfe-Mannes ab. Eine scharfe Stimme rief: »Ist hier jemand?«, und Irma eilte uns voraus. Wir kamen in eine nüchtern eingerichtete Rezeption, wo Irma einem mageren jungen Mann im grauen Anzug die Sachlage erklärte.
Er warf mir
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