Ingrid
offene Tür und drinnen, in der Küche, die ermordete Jennifer. Stattdessen kam sie in heller Aufregung zu mir hinübergerannt und klopfte an meine Hintertür. Weil sie von der Scheibe und der toten Jennifer wusste, und weil sie damit einen Zeugen für ihren gespielten Schrecken und ihre Unwissenheit charterte?
Hier war doch etwas faul.
Ich wurde allmählich nervös, ging zurück auf den Deich und probierte die Rolltore der Doppelgarage aus. Die eine war abgeschlossen, die andere ließ sich ohne weiteres öffnen. Der rote Honda von Ingrid war weg. Einkaufen gegangen?
Ich blickte mich um, ging gebückt durch das Tor und zog es fast ganz hinunter. Durch ein Metallfenster fiel Licht hinein. Peters grauer Volvo stand auf seiner Hälfte. Die Polizei hatte den Kofferraum wieder ordentlich verschlossen und nicht übermäßig viele Puderspuren hinterlassen. Hinten in der Seitenwand befand sich eine Innentür, wahrscheinlich eine der Türen, die in den Flur mündeten.
Das letzte Mal, als ich hier war, am Abend vor dem Mord, war Ingrid mir aus dem Haus heraus gefolgt und hatte das Tor von außen geöffnet. Anschließend war sie mit ihrem Honda zu ihrer Schwester nach Tiel gefahren und hatte mich das Garagentor zuziehen lassen. Sie hätte mich auch erst verabschieden und anschließend durch die Innentür in die Garage gehen können. Es war sogar einfacher, die Rolltore von innen aufzuziehen.
Wollte sie, dass ich sie wegfahren sah? Fing ich an, Gespenster zu sehen?
Die Innentür war abgeschlossen. Das Schloss war ein gewöhnliches Küchentürexemplar, und ich hätte es innerhalb von fünf Minuten mit dem altbewährten Stück Draht öffnen können, das hier doch irgendwo zwischen dem Werkzeug und dem anderen Krempel zu finden sein musste. Innen im Haus würde es bestimmt einen zusätzlichen Riegel geben, um nächtliche Eindringlinge, die sich mit Eisendraht auskannten, draußen zu halten. Dieser Riegel musste jetzt offen sein, wenn Ingrid das Haus durch die Garage verlassen hatte.
Ich überlegte auch, dass niemand einen solchen Schlüssel mitnahm. Er musste hier sein, in der Garage, zwischen dem Werkzeug und dem anderen Kram, versteckt an einer festen Stelle. Wir waren hier auf dem Land.
Ich fand den Schlüssel auf dem Fußboden hinter einem der hinteren Tischbeine von Peters Werkbank. Vielleicht war das die Stelle, an der er immer lag, denn es war ein guter Platz. Niemand rechnet damit, dass ein Schlüssel auf dem Fußboden liegt.
Ich stand im Flur. Das Haus war still. Ich ging ohne Umschweife die Treppe hinauf und in Tommys Zimmer. Es schien nichts verändert seit dem letzten Abend, nur Tommy fehlte. Es gab so viel Spielzeug, dass kein Mensch mit Sicherheit hätte sagen können, ob gestern ein paar Autos, Bären oder Brummkreisel mehr dagewesen waren.
Ich öffnete die Schubladen einer Art Kommode. Sie waren voll beziehungsweise halb voll mit Kinderkleidung, und ich schob sie wieder zu.
Ich betrat mit Widerwillen das eheliche Schlafzimmer und betrachtete ein paar Sekunden lang das von außen mit weißem Kunstleder bezogene Lotterbett und die Knicke, Eindrücke und Falten im fuchsiafarbenen Überwurf. Etwas Hartes hatte einen rechteckigen Abdruck hinterlassen.
Ich öffnete Türen und Klappen des riesigen Eichenholz-Kleiderschranks. Inmitten der lackierten Vorderfront befand sich ein Spiegel. Alles links vom Spiegel gehörte Peter, rechts befanden sich die Hängeschränke und Fächer von Ingrid, mit Schubladen darunter. Ingrids Schrankhälfte war durcheinander, als habe sie schnell eine Auswahl getroffen, Kleider hastig herausgenommen und wieder hineingehängt oder einfach unten reingeworfen. Dasselbe galt für die Schubladen mit Unterwäsche und Oberteilen. Ein Doppelschrank über dem Spiegel war leer, bis auf einen alten Stoffkoffer. Daneben hätten weitere Koffer Platz gehabt.
Vielleicht auch nur ein Koffer, denn sie wollte sicher nur wenig Gepäck mitnehmen, da sie auch Tommy an der Hand halten und manchmal auf dem Arm tragen musste. Der Abdruck eines Koffers auf dem Bett war unverkennbar. Sie hatte ihn rasch gepackt, durch die Flurtür in die Garage geschleppt und unauffällig im Honda verstaut, zusammen mit den Sachen für Tommy. Rolltor auf, kurz umgeblickt: Sie wollte nicht gesehen werden. Honda auf den Deich gefahren, schnell ausgestiegen, um das Rolltor zu schließen und alles normal aussehen zu lassen. Und weg.
Wann? Wohin?
Ich suchte weiter, auch unten in Peters Arbeitsecke, ohne irgendwelche Hinweise zu
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