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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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ihr Mann eine Frau ermordet, nur damit sie ein Kind bekommt, ist wahnsinnig.«
    »Vielleicht wusste sie nichts davon.«
    »Ach nein?« Ihre kühlen blauen Augen blickten mich herausfordernd an, als sei sie durchaus zu einer Diskussion bereit. »Aber selbst wenn sie eine Heilige wäre«, fuhr sie fort. »Tommy hat einen Vater, und ich bin seine Stiefmutter, er hat also Eltern, und da gehört er hin. Ich will ihn so schnell wie möglich haben, bevor noch ein weiteres Unglück geschieht. Sie wohnt doch hier in der Nähe?« Sie schlug die Augen nieder. »Ich möchte nur mit ihr reden, du kannst gerne mitkommen, wenn du Bedenken hast.«
    Diese Idee erschien mir nicht schlecht.
    »Tommy liegt vielleicht schon im Bett«, spekulierte ich, als wir den Deich entlang zum Haus der Bracks gingen.
    »Kann sein.«
    Ich blickte zur Seite und sah, dass sie nervös wurde. Sie hatte Lampenfieber, was in einem merkwürdigen Kontrast zu ihrer selbstsicheren Haltung von vorhin stand. Ich dachte bei mir, dass sie noch jung war, genau wie Thomas, und wahrscheinlich jeder nervös werden würde, wenn plötzlich ein unbekanntes Kind in sein Leben träte. »Wie hast du dir das Ganze vorgestellt?«
    »Die Frau steht ja jetzt ganz allein da, vielleicht ist sie froh, dass Tommy zu uns kann.«
    Letzteres bezweifelte ich. Möglicherweise sprach Louise sich auch nur selbst Mut zu. »Was meint eigentlich dein Vater dazu?«, fragte ich. »Ich denke, er ist so ein Moralapostel?«
    Sie lachte angespannt. »Ich bin erwachsen. Thomas hat ein Kind. Was das Übrige betrifft, steckt Louis Vredeling wahrscheinlich einfach den Kopf in den Sand. Das können eingefleischte alte Calvinisten ziemlich gut. Aber in einem Monat nimmt er ihn dann auf den Schoss und will unbedingt allen seinen Enkel zeigen.«
    Ingrid machte auf. »Max, was machst du denn hier?« Sie sah geistesabwesend aus und zudem zwar nicht gerade verwahrlost oder heruntergekommen, aber schlampig. Sie trug kein Make-up und wirkte sehr müde. Ich konnte mir vorstellen, dass sie über mein Kommen nicht gerade erbaut war.
    »Guten Tag, Mevrouw«, sagte Louise. »Ich bin Louise Vredeling.« Sie reichte Ingrid nicht die Hand.
    Ingrids weiblicher Blick wanderte automatisch über das teure Kostüm.
    »Ja?«
    »Ich würde mich gern einen Augenblick mit Ihnen unterhalten«, sagte Louise höflich. »Darf ich hereinkommen?«
    Ingrid schaute mich vorwurfsvoll an. »Ich habe schon den halben Tag lang die Polizei im Haus gehabt. Sogar die Garage haben sie durchsucht.« Sie wandte sich an Louise. »Worum geht es?«
    »Ich möchte das lieber nicht zwischen Tür und Angel besprechen.« Louise trat einen Schritt nach vorn. Das Lampenfieber schien verflogen, jetzt, wo sie aktiv handelte. Ingrid wich unwillkürlich zurück, und schon standen wir im Flur. Ich schloss die Tür.
    »Ich würde Tommy gerne mal kurz sehen«, sagte Louise.
    »Er liegt schon im Bett, ich wollte ihm gerade seine Geschichte vorlesen.« Sie runzelte die Stirn. »Sind Sie vom Gericht?«
    »Ja«, log Louise.
    Ingrid schaute mich an. »Es bleibt aber dabei. Ich übernehme die Vormundschaft.« Sie klang angespannt. »Das weiß auch der Richter, ich habe schon angerufen.«
    »Und was hat der Richter gesagt?«
    »Ich habe mit dem Leiter der Gerichtsverwaltung gesprochen.« Ingrid schaute Louise an, drehte sich schweigend um und ging uns voraus die Treppe hinauf. Ich folgte Louise und sah, wie sich ihre Fäuste öffneten und schlossen, als mache sie Übungen mit einer Handfeder.
    Ingrid öffnete eine Tür und trat beiseite. Das Zimmer war vollgestopft mit bunten Spielsachen. Vor dem Fenster hingen fröhliche Kindergardinen, an den Wänden Märchenszenen. Tommy stand in einem Himmelbettchen, die Händchen um das Gitter geklammert. Ein Vorlesebuch lag auf einem Stuhl daneben.
    Louise durchquerte das Zimmer und beugte sich über das Bett. Einen Moment lang blieb es still, und dann sagte sie: »Oh mein Gott. Er hat Thoms Augen.«
    Sie streckte die Arme aus, um den Jungen aus dem Bett zu heben, doch da begriff Ingrid die Bedeutung ihrer Worte, stieß einen Fluch aus und schoss wie eine Furie durch den Raum.
    »Fassen Sie ihn nicht an!« Sie packte Louise am Arm. »Sie sind gar nicht vom Gericht! Was wollen Sie hier?«
    Louise ließ Tommy los. Der Junge fing an zu weinen. Ingrid beugte sich über ihn. Ich tätschelte ihre Schulter, machte beruhigende Geräusche und winkte Louise mit einer Geste zur Tür. »Nicht hier …«
    »Ganz ruhig«, sagte Ingrid

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