Inka Gold
trat er an den steil abfallenden Rand des Opferbrunnens und spähte hinab. Er sah einen Kopf mitten in der grünen Schleimsuppe. »Das ist gut«, sagte er finster.
Er nahm die ins Wasser führende Sicherheitsleine, zog die Machete aus seinem Gürtel und durchtrennte mit einem wuchtigen Hieb das an der Winde befestigte Tau. Dann verzog sich sein ausdrucksloses Gesicht zu einem grausamen Lächeln, während er das Ende der Leine einen Augenblick lang lässig über den Rand hielt, bevor er es in das tiefe Wasserloch hinabwarf.
4
Pitt kam sich vor wie der Trottel in einem Dick-und-Doof-Film, der brüllt, man möge ihn vor dem Ertrinken retten, und daraufhin beide Tauenden zugeworfen bekommt. Ungläubig starrte er auf die durchgetrennte Sicherheits- und Kommunikationsleine. Nicht genug, daß ihm sein Rettungsmittel auf den Kopf geworfen worden war, er hatte auch jede Verbindung mit Giordino verloren. Er trieb in dem grünen Schleim und hatte nicht die geringste Ahnung von dem brutalen Geschehen am Rande des Wasserloches. Nun löste er den Kinnriemen, mit dem die Vollgesichtsmaske an seinem Kopf befestigt war, nahm sie ab und starrte erwartungsvoll nach oben. Niemand blickte herab.
Pitt wollte bereits um Hilfe rufen, als ein gut sechzig Sekunden anhaltender Feuerstoß aus automatischen Waffen von den Wänden des Wasserloches widerhallte, wo er aufgrund der akustischen Eigenschaften des Steins zu einem ohrenbetäubenden Dröhnen verstärkt wurde.
Dann brach das trockene Knattern genauso abrupt wieder ab, wie es begonnen hatte, und eine eigenartige Stille senkte sich auf den Dschungel herab. Pitts Gedanken drehten sich unablässig im Kreis. Das Ganze war ihm mehr als schleierhaft.
Was ging da oben vor sich?
Wer schoß da herum, und auf wen? Seine Besorgnis wuchs mit jeder Minute. Er mußte aus dieser Todesgrube heraus. Aber wie? Er war sich auch ohne Bergsteigerfibel darüber im klaren, daß es ohne die entsprechende Ausrüstung oder Hilfe von oben unmöglich war, die senkrecht aufragenden Wände zu bezwingen. Giordino hätte ihn nie und nimmer im Stich gelassen, dachte er verzweifelt. Niemals – es sei denn, sein Freund war verletzt oder bewußtlos. Mit dem Gedanken, Giordino könne tot sein, wollte er sich gar nicht erst belasten.
Besorgt und mit wachsender Verzweiflung schrie er nach oben, zum freien Himmel, und seine Stimme hallte von den Wänden wider. Er bekam nur Totenstille zur Antwort. Er konnte nicht begreifen, wie so etwas geschehen konnte. Es wurde immer offensichtlicher, daß er wohl oder übel aus eigener Kraft würde herausklettern müssen. Er schaute hinauf zum Himmel.
Er hatte allenfalls noch zwei Stunden Tageslicht. Wenn er sich retten wollte, mußte er gleich anfangen. Aber was war mit den unbekannten Bewaffneten? Könnte es sein, daß sie so lange warteten, bis er schutzlos wie eine Fliege am Fenster in der Wand hing, bevor sie ihn abknallten? Oder hielten die ihn etwa schon für so gut wie tot? Er beschloß, sich lieber sofort um die Antworten zu kümmern. Nichts, nichts außer vielleicht der Drohung, in einen glühenden Vulkan geworfen zu werden, könnte ihn über Nacht in diesem heißen, schlierig-schleimigen Wasser halten.
Er ließ sich auf dem Rücken treiben, musterte die Wände, die bis hinauf zu den vorüberziehenden Wolken zu reichen schienen, und versuchte sich zu erinnern, was er vor mindestens hundert Jahren, so kam es ihm vor, in einem Geologieseminar auf dem College gelernt hatte.
Kalkstein: ein überwiegend aus Kalkspat, einer Verbindung aus kristallinem Kalzit und kohlensaurem Salz, bestehendes Sedimentgestein, das durch kalkausscheidende Organismen aus uralten Korallenriffen entstanden ist. Kalkstein findet man in unterschiedlichster Farbe und Beschaffenheit.
Nicht schlecht, dachte Pitt, für einen Schüler, der eine Zwei geschafft hat – in einem Seminar. Sein alter Lehrer wäre stolz auf ihn gewesen.
Er konnte sich glücklich schätzen, daß er es nicht mit Granit oder Basalt zu tun hatte. Der Kalkstein war mit lauter pockennarbenartigen Löchern übersät und vo n winzigen Rissen durchzogen. Er schwamm an den fast kreisrunden Wänden entlang, bis er zu einer Stelle kam, wo auf halbem Weg nach oben ein kleiner Felsvorsprung hervorragte. Er nahm sein Tauchgerät und die übrige Unterwasserausrüstung mit Ausnahme seines Zubehörgurtes ab und ließ sie auf den Grund des Wasserloches sinken. Lediglich die Zange und den Geologenhammer aus dem Werkzeugkasten behielt er bei
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