Inkasso Mosel
Balzer«, die Worte hallten in Waldes Ohren nach. Soeben hatte es sein alter Klassenkamerad geschafft, dass er ihn siezte. Hinter Balzers breiten Schultern, über denen eine etwas zu enge Trainingsanzugsjacke spannte, sah Walde auf den Turm der beleuchteten Pauluskirche.
»Dann bis später«, Walde fiel nichts Besseres ein, seinen Rückzug anzukündigen. Gabi folgte ihm auf den Flur.
»Wir warten noch auf Haupenberg, bevor wir mit der Vernehmung beginnen.« Sie wies auf Waldes Bürotür. »Du hast ja Urlaub, deshalb …«
»Kein Problem.«
»Möchtest du dabei sein?«
»Nein, was macht Meier?«
»Wenn du dir das antun willst, dann versuch es mal in der Kantine.«
In der Kantine war wenig los. Walde grüßte vier Techniker vom Erkennungsdienst, die an einem Tisch neben der Theke saßen. Meier saß allein an einem Tisch in der Ecke. Neben einem vollen Aschenbecher und einer zusammengeknüllten Bildzeitung standen ein halb volles Glas und eine leere Flasche alkoholfreies Bier.
»Haste auch keinen Bock mehr?«, fragte Meier und versuchte zu grinsen, was seinem faltigen Gesicht Ähnlichkeit mit einer Halloweenmaske verlieh.
Walde war sofort klar, dass in dem Glas kein alkoholfreies Bier sein konnte. »Bist du schon länger hier?«
»Nee, mach’ nur Pause.«
»Seit wann?«
»Seit eben … halt.«
»Darf ich?« Walde nahm einen Schluck aus Meiers Bierglas. Das war kein Alkoholfreies. »Willst du noch was arbeiten oder …?«
»Kommt drauf an.« Meier schien wenig interessiert.
»Ich hab’ eine interessante Information im Fall Harras.«
»Willst du mich ver … arschen?« Meier legte seine Zigarette ab und nahm einen tiefen Schluck aus dem Glas. Dann zündete er sich eine neue an.
Walde drückte die im Aschenbecher Qualmende aus.
»Können wir bitte zwei Kaffee und einen frischen Aschenbecher haben?«, rief er zur Theke. Dann erzählte er Meier, was er über den Holzlieferanten von Richter Harras herausgefunden hatte.
»Blödes Richterpack«, Meier erwachte aus seiner Lethargie und sprach so laut, dass sich die Kollegen nach ihm umdrehten. »Die können doch machen, was sie wollen, richterliche Unabhängigkeit nennt sich so was. Egal, ob sie während der Dienstzeit Holz hacken oder Krimi … Krimi … nelle laufen lassen.«
Grabbe setzte sich zu ihnen an den Tisch, machte aber Anstalten, gleich wieder aufzustehen.
»Bleib’ sitzen, Grabbe, ich hab’ mich schon wieder abge … abgeregt.« Meier legte ihm die Hand mit der Zigarette auf den Arm. »Wo bleibt der Kaffee?«
»Ist fertig!«, wurde von der Theke her geantwortet.
Meier stand auf. Er schwankte leicht, als er den Kaffee von der Theke abholte.
Grabbe klopfte Zigarettenasche von seinem Ärmel. »Ich hatte gerade einen Bäcker da, der von einem Russen übel in die Mangel genommen wurde. Der hat ihm mit dem eigenen Backschieber vor den Kopf gehauen.«
»Warum?«
»Eine Inkassogeschichte«, antwortete Grabbe.
»Für welche Firma?«, fragte Walde.
»Wollte der Bäcker nicht sagen«, Grabbe wedelte mit der Hand den Rauch zur Seite, der vom Aschenbecher in seine Richtung zog. »Wir können froh sein, dass der Bäcker überhaupt Anzeige erstattet hat. Ich denke mal, dass wir in den allerwenigsten Fällen eingeschaltet werden.«
»Warum?«, fragte Walde.
»Die Forderungen sind in der Regel korrekt. Die Methoden, mit denen sie eingetrieben werden, stehen auf einem anderen Blatt. Wer kann, zieht den Schwanz ein und zahlt.«
»Mit dem Backschieber ist er verhauen worden?«
Grabbe nickte.
»Wo ist er jetzt?«
»In seiner Backstube, irgendwo in Trier-Nord.«
*
In dem Anbau auf der Rückseite des Hauses brannte Licht. Durch das schmutzige Fenster beobachtete Walde einen älteren untersetzten Mann, der aus einem über seiner Schulter liegenden Sack Mehl in einen Bottich schüttete.
Walde klopfte an die Scheibe. Der Mann zuckte zusammen. Ohne sich von der Stelle zu bewegen, starrte er zum Fenster.
»Ich bin von der Polizei«, brüllte Walde.
Der Mann griff nach einem Werkzeug, das aussah wie ein Schürhaken. Als er sich auf das Fenster zu bewegte, war etwas in seinem Blick, das Entschlossenheit ausdrückte. Sein Körper, dem Walde ansah, dass er schon eine Menge Mehlsäcke gestemmt hatte, wirkte angespannt, bereit, sofort zu reagieren, falls es erforderlich sein sollte.
»Mein Kollege, Herr Grabbe, hat mich über Ihren Fall informiert.« Der Bäcker schien den Namen verstanden zu haben und winkte Walde zu einer Tür, die er nach dem
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