Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
Vom Netzwerk:
Aufschließen einen Spalt breit öffnete.
    »Kripo, mein Name ist Bock!«
    »Ich hab’ schon alles zu Protokoll gegeben.« Der Bäcker ließ Walde in die Backstube, in der es bullig heiß war. Die verfleckte, ehemals wohl einmal weiße Hose und das schmuddelige Unterhemd kontrastierten mit dem weißen Kopfverband des Mannes, unter dem grau melierte Koteletten hervorlugten. Waldes Blick fiel auf das lange Holzteil, das neben dem in die Wand eingelassenen Ofen lehnte.
    »Wäre es nicht besser, Sie würden sich ein paar Tage auskurieren?«
    »Besser wäre es bestimmt.« Der Mann nickte vorsichtig, als habe er Kopfschmerzen.
    »Das hier.« Er zeigte auf die mit einer feinen Schicht überzogenen, alles andere als neu wirkenden Geräte. »Das ist mein Lebenswerk. Hier arbeite ich seit vierzig Jahren Nacht für Nacht. Bis vor ein paar Jahren waren wir noch zu siebt. Da saß jeder Handgriff. Jetzt habe ich noch einen Gesellen, und der beliefert morgens auch noch die beiden Filialen. In einer steht meine Frau den ganzen Tag, in der anderen klauen die Verkäuferinnen wie die Raben.«
    »Haben Sie noch nicht ans Aufhören gedacht?«
    »Ich denke an nichts anderes.« Der Mann stützte den Kopf auf die Hand.
    Nach längerem Schweigen hakte Walde nach: »Und?«
    »Ich kann nicht. Damals, als wir anfingen, haben wir jeden Groschen gebraucht. Da war ich jung und stark. An das Alter hat man noch nicht gedacht. Später hatten wir was auf die Beine gestellt. Moderne Backstube, zwei Läden, Häuschen mit Einliegerwohnung. Das war unsere Altersversorgung.«
    »Und heute?«
    »Das sehen Sie ja.« Der Mann wies um sich. »Alles alter Plunder, viel zu klein, nicht mehr konkurrenzfähig. Die Läden müssten renoviert werden. Die Hypothek aufs Haus war schon mal so gut wie bezahlt. Jetzt ist sie wieder bis auf den letzten Euro ausgereizt.«
    »Was werden Sie tun?«
    »Ich muss wohl Insolvenz anmelden.« Der Bäcker seufzte tief. »Bevor mich dieser Mafioso totschlägt.« Er schaute zur Decke, die von schwarzen Schlieren überzogen war. »Aufhängen tue ich mich nicht. Das habe ich Marianne versprochen. Das Leben geht weiter, irgendwie.«
    »Können Sie Näheres über Ihren Besucher sagen?«
    »Nicht mehr, als ich schon zu Protokoll gegeben habe. Dunkle Haare, dunkle Lederjacke, russischer Akzent …«
    »Hat er geraucht?«
    »In meiner Backstube wird nicht geraucht!«
    »Sie konnten ja auch nicht verhindern, dass er Sie angegriffen hat.«
    »Als ich das Messer sah, hab’ ich hiernach gegriffen.« Der Mann hielt immer noch den Schürhaken in der Hand. »Da hat er mich mit dem Schieber niedergeschlagen. Ich hatte keine Chance.«
    Walde schrieb seine Handynummer auf und gab sie dem Mann: »Falls Ihnen noch was einfällt.«
    *
    Walde fuhr zurück in die neue Wohnung. Diesmal feuchtete er einen Teil der Dielentapete mit dem Schwamm an, bevor er den Spachtel in die schmerzende Hand nahm. In der Handfläche hatte sich unter der hellen Haut eine mit Flüssigkeit gefüllte Blase gebildet. Erst nach einer halben Stunde war die Feuchtigkeit bis zur untersten Tapetenschicht vorgedrungen. Für einige Minuten gelang es Walde, bis zum Verputz vorzudringen. Aber kaum hatte er geglaubt, ein Rezept für das Loslösen der Generationen übergreifenden Tapeten gefunden zu haben, erstarrte das Papier zu einem Schutzschild, das nur Millimeter für Millimeter nachgab.
    Stunden später, in denen er kaum merkliche Fortschritte erzielt hatte, verließ er frustriert die Wohnung und machte sich zu Fuß auf den Weg zu Doris.
     
    Neben dem Haus schloss sich in Richtung Porta die lange Klostermauer an. Walde bemerkte ein frisches Graffito. Er war sich ziemlich sicher, dass es am Nachmittag noch nicht da gewesen war. Mit Zeige- und Mittelfinger strich er daran vorbei. Stammten die dunklen Konturen an seinen Fingern von der Farbe? Er hielt die Hand im schwachen Licht der Straßenlaterne nah vor die Augen. Der Geruch von nassem, altem Papier stieg ihm in die Nase. Der kleine Finger schien sauber zu sein. Das änderte sich, als er damit über die bemalte Mauer fuhr. Er überlegte einen Augenblick und nahm dann das Telefon aus der Jackentasche. Die Kurzwahl verband ihn mit dem Präsidium, wo er dem Wachhabenden die Situation erklärte. Der versicherte ihm, dass er die Information an die in der Nähe befindlichen Streifenwagen weitergeben würde.
    Walde wusste, was das bedeutete. Die lächerlich wenigen Leuten, die im Nachtdienst waren, hatten wahrscheinlich mit anderen Dingen

Weitere Kostenlose Bücher