Inkasso Mosel
entgegnete er und zeigte auf die Zeitung.
»Was hast du damit zu tun?«
»Eigentlich nichts. Ich halte mich nur auf dem Laufenden.«
»Du meinst wohl eher, du wirst von deinen Kollegen auf dem Laufenden gehalten.«
»Du hast Recht«, gestand Walde ein. »Es hat keinen Sinn, im Urlaub zu Hause zu bleiben.«
»Und warum lässt du dann bei mir in der Wohnung dein Handy angeschaltet?«
Walde erschien es besser zu schweigen als eine unüberlegte Antwort zu geben, die Doris auf die Palme bringen würde.
*
Spätestens als sich im Präsidium die Fahrstuhltür vor ihm öffnete, fragte sich Walde, warum er nicht die Treppe benutzt hatte. In der Kabine, die von oben herunterkam, stand Balzer, flankiert von Gabi und Grabbe.
»Morgen«, begrüßte Walde die Ankommenden.
»Morgen, Herr Bock.« Balzer, unrasiert und ungekämmt, sah in dem grünen Jogginganzug ziemlich erbärmlich aus. Der Unternehmer war ein lebendes Beispiel dafür, dass der Spruch ›Kleider machen Leute‹ auch im Umkehrschluss gelten konnte.
Walde stieg ein und der Fahrstuhl setzte sich mit einem leichten Ruck Richtung Keller in Bewegung.
»Morgen, Herr Balzer.« Walde rutschte die Entgegnung heraus, obwohl er sich mit einem ehemaligen Klassenkameraden nicht endgültig auf das Sie einlassen wollte.
Im Kellergeschoss überließen Gabi und Grabbe Balzer einem Polizisten, der diesen in die Arrestzelle zurückbringen sollte.
Gemeinsam fuhren sie nach oben.
»Balzer soll also zum Haftrichter?«, sagte Walde.
»Nicht direkt.«
»Was heißt nicht direkt?«
»Das Beweismaterial ist noch zu dünn für einen Haftbefehl.«
»Das war also nur ein Bluff?«
Gabi schwieg.
Walde hakte nach: »Was ist mit Hannas früherem Freund, diesem Roland?«
»Zwischen den beiden ist es schon länger aus. Die alte Geschichte, er geht zur Bundeswehr und lernt, sein Bett ordentlich zu machen und zu saufen. Sie beginnt ein Studium und lernt andere Männer kennen.«
»Und was ist mit seinem Alibi?«
»Ich hab’ noch nichts von den Tübinger Kollegen gehört. Die wollten Rolands Angaben überprüfen«, sagte Gabi. »Dass der Mord an Hanna eine Beziehungsgeschichte ist, war mir gleich klar.›Cherchez l’homme‹ und du hast den Mörder.«
»Scherscheh was?«, fragte Grabbe.
»Nun mal ganz langsam für die, die nur Spanisch verstehen. ›Cherchez la femme‹ ist eine alte kriminalistische Methode, wie sie bereits Hercule Poirot, Maigret und andere vermeintliche Experten angewendet haben.« Sie vollführte bei ihren Ausführungen mit den Händen weit ausholende Bewegungen in der Luft. »In unserem Fall muss nicht die Frau, sondern der Mann gesucht werden. Hast du verstanden?«
»Und du bist dir sicher, dass es Balzer war?« Grabbe ignorierte ihren belehrenden Ton.
»Das bin ich erst, wenn ich ein Geständnis habe. Aber wir werden ihn so schnell nicht mehr in Ruhe lassen«, sagte Gabi. »Genauso wenig wie er bei seinem berüchtigten Würgegriff nachgegeben hat.«
»Diesen Griff habe ich schon mal am eigenen Leib gespürt«, sagte Walde. »Das war noch zur Schulzeit. Ich weiß gar nicht mehr, worum es ging, jedenfalls ist der Balzer damals so ausgerastet, dass mir mein Rücken danach noch tagelang weh tat.«
»Damit bist du unser fünfter Zeuge«, stellte Gabi fest.
»Aber ich kann doch nicht gegen meinen Klassenkameraden …«
»Da braucht man sich über die berühmte Mauer des Schweigens nicht zu wundern, wenn selbst Polizisten sich so bescheuert anstellen.«
»Da hat sie Recht«, nickte Grabbe.
»Okay, okay, ist in Ordnung, ihr könnt das zu Protokoll nehmen«, versuchte Walde zu schlichten. »Aber …«
»Lass’ mich raten. Er hat angefangen«, unterbrach ihn Gabi.
»Woher weißt du das?«
»Komm’, Grabbe«, Gabi packte ihren verdutzten Kollegen an der Schulter. »Lass’ uns den Sandkasten verlassen und uns wieder der Erwachsenenwelt zuwenden. Sag’ unten Bescheid, Balzer kann sich ein Taxi rufen.«
Meier war hinzugekommen und hatte den letzten Teil der Unterhaltung gehört: »Ich hätte nichts dagegen, wenn der Balzer in den Knast einfahren würde. Für das, was er vorher schon verbrochen hat, kriegen wir ihn leider nicht am Arsch, dafür ist er zu clever, Al Capone ist ja auch nur wegen Steuergeschichten verhaftet worden.«
»Wir sind nicht mehr in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts«, bemerkte Walde.
»So sehe ich das auch«, pflichtete ihm Gabi bei. »Außerdem ist das hier keine Steuersache. Wenn ich alles zusammen habe, wird
Weitere Kostenlose Bücher