Inkasso Mosel
Gegenpartei auf diese Weise attackiert hat. Unser Gerichtsmediziner ist der Ansicht, dass eine so zart gebaute Frau wie Hanna Harras bei einer Attacke in ähnlich heftiger Ausführung, wie sie Herr Balzer bereits zur Genüge angewandt hat, durchaus so schwere Verletzungen davontragen konnte, dass diese zum Tode geführt haben. Die Hämatome im Bereich der unteren Wirbelsäule der Toten dürften vom Knie Ihres Mandanten stammen.«
*
Als Walde mit Zeitung und Brötchen zurückkam, wehte ihm in der Diele Kaffeeduft entgegen. Doris hatte bereits den Frühstückstisch gedeckt, Eier hüpften im blubbernden Wasser. Sie stand am Herd. Ihr Bauch wölbte sich aus dem offenen Bademantel.
Walde umarmte sie von hinten und streichelte ihr über den Bauch: »Wie hast du geschlafen?«
»Unsere Tochter hat mir so auf die Blase gedrückt, dass ich in der Nacht zweimal aufs Klo musste.«
»Hab’ ich nicht mitbekommen.«
Die Eieruhr klingelte und Doris nahm den Topf vom Herd.
Als Walde die Zeitung auf den Tisch legte, sprangen ihm die fetten Lettern entgegen: SCHLAFKAMMER AM LANDGERICHT VERBUMMELT FALL – GEISELNEHMER FREI.
Während des Frühstücks musste er immer wieder auf die Zeitung schielen.
»Nun lies sie doch, wenn du das interessanter findest, als dich mit mir zu unterhalten«, forderte Doris ihn nach einer Weile auf.
»Es ist nur wegen …«, Walde nahm die Zeitung hoch. Er las ›Dr. Harras, Vorsitzender Richter am Landgericht‹: »Mist, auch das noch.«
»Was ist passiert?«
»Jetzt gerät dieser Harras, das ist der Richter, dessen Tochter ermordet wurde, auch noch beruflich ins Schussfeld.«
»Was hat er denn getan?«
»Einen Termin verbummelt. Deshalb mussten zwei Erpresser vor dem Prozess aus dem Untersuchungsgefängnis entlassen werden, obwohl sie mindestens fünf Jahre Haft zu erwarten hatten.«
»Wie kann denn so was passieren?«
Walde hob die Schultern und warf die Zeitung auf einen Stuhl. Er bemerkte, dass Doris zusammenzuckte. Hatten die Wehen eingesetzt?
»Nur ein freundlicher Guten-Morgen-Tritt«, sagte Doris. »Ist dir aufgefallen, dass wir uns in den letzten Tagen fast gar nicht gesehen haben.«
»Ab Samstag wird sich das ändern.«
»Deine Wohnung ist noch nicht vermietet«, sagte Doris.
Walde spürte ihr Misstrauen: »Wenn wir nicht fertig geworden wären, hätten wir in eine Baustelle einziehen müssen. Am Samstag kommen meine Sachen rüber. Die Möbel, die ich nicht mitnehme, verkaufe ich über die Tageszeitung oder versteigere sie, wenn es klappt, bei Ebay.«
»Ich hab’ das Gefühl, du willst deine Freiheit nicht aufgeben.«
»Das werde ich auch nicht. Wir haben eine große Wohnung, wo jeder sein eigenes Zimmer hat, außerdem gibt es dort einen großen Garten …«
»Du musst mich verstehen, das ist kein einfacher Schritt, nicht dass ich kein Vertrauen zu dir hätte, aber in den letzten Tagen hatte ich die Befürchtung, du willst das alles vielleicht gar nicht.«
Sie schauten beide zur Balkontür, wo Minka sich von draußen an der Scheibe aufgerichtet hatte und mit den Pfoten scharrte. Walde stand auf und ließ sie herein.
»Wenn einer auf seine Freiheit verzichten muss, dann bist du das«, sagte Walde zu der Katze, die, ohne die beiden eines Blickes zu würdigen, in der Diele verschwand.
»Das wird auch für sie nicht leicht, aber in ein paar Wochen können wir sie in den Garten lassen.« Doris schaute der Katze hinterher. Sie zuckte zusammen und fasste mit einer Hand an ihren Bauch.
»Wenn wir zusammen wohnen, werden wir eine andere Beziehung haben. Außerdem bist du ja noch verheiratet.« Die letzten Worte waren Walde herausgerutscht. Als er Doris vor vier Jahren kennengelernt hatte, lebte sie bereits lange von ihrem Mann getrennt, aber eine Scheidung stand nie zur Debatte. Als er sie damals fragte, warum sie sich nicht scheiden ließe, hatte sie geantwortet, das mache sie nur dann, wenn sie sich für eine neue feste Beziehung entschieden habe.
Waldes Handy klingelte und beendete das unangenehme Schweigen.
Sein Kollege Meier meldete sich: »Ich dachte, du solltest wissen, dass dieser Schaffreck, von dem du mir erzählt hast, Richter am Oberlandesgericht Koblenz ist und die Haftbefehle gegen die beiden Trierer Geiselgangster aufgehoben hat.«
»Interessant«, war Waldes Kommentar.
»Interessant? Das stinkt zum Himmel!«
Als Walde aufgelegt hatte, fragte Doris, was er so interessant gefunden habe.
»Das war Meier. Es ging um die Entlassung der Geiselgangster«,
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