Inkasso Mosel
Geruch von verbrannten Zwiebeln hing in der Luft. Aus einer Tür drang das Geräusch eines Fernsehers.
»Hallo«, rief Walde.
»Dein Schnitzel ist im Müll«, hörten sie eine Stimme, die kaum den Lärm aus dem Fernseher übertönte.
»Hallo, Frau Schmidt«, Walde blieb im Türrahmen stehen und spähte in das nur vom bläulichen Fernsehbild erleuchtete Zimmer. Er sah eine Couchgarnitur, bestehend aus zwei Sesseln, einem Sofa und einem halbhohen Tisch in der Mitte. Auf dem Sofa konnte er die Umrisse einer korpulenten Frau erkennen.
»Wir sind von der Polizei.«
Einem Schrei folgte der dumpfe Aufprall eines Gegenstandes auf dem Teppich. Walde beobachtete eine Gestalt, die vom Sofa aufsprang.
Das hatte ihm heute Abend noch gefehlt: »Bleiben Sie ruhig. Mein Name ist Waldemar Bock und das ist meine Kollegin …«
»Was machen Sie hier?«, unterbrach ihn die Frau. Die Verfolgungsjagd auf dem Bildschirm ging weiter. »Wie spät ist es?«
»Dreiundzwanzig Uhr dreißig. Dürfen wir uns setzen?« Walde fiel es schwer, die Gereiztheit in seiner Stimme zu unterdrücken.
Ohne eine Antwort zu erhalten, nahmen Walde und Gabi in den beiden Sesseln Platz, wobei Gabi diskret ein paar Socken von der Sitzfläche auf den Teppich beförderte.
»Sie sind die Ehefrau von Karl Schmidt?« Walde bemühte sich langsam zu sprechen und betonte jedes Wort.
»Was hat er angestellt?« Die Frau versuchte, sich eine Zigarette anzuzünden. Nach dem dritten vergeblichen Anlauf reichte ihr Gabi Feuer. Die Verfolgungsjagd nahm kein Ende.
»Dürfte ich Sie bitten, den Fernseher etwas leiser zu stellen.«
Walde schien es, als habe sie auf der Fernbedienung gesessen. Sie zog sie unter sich hervor und machte dem übermäßigen Reifenabrieb ein Ende, indem sie das Gerät ausschaltete. Für einen Moment war es stockdunkel im Raum. Walde und Gabi lauschten dem Stampfen auf dem Teppich, bis die Frau den Fußschalter der Stehlampe gefunden hatte. Das Wohnzimmer war in einem Stil eingerichtet, den man vor zwanzig Jahren als altdeutsch bezeichnete.
»Wo ist meine Zigarette?« Die Frau bückte sich nach einem Aschenbecher, der vor der Couch auf dem Teppich lag. Ein ansehnlicher Berg Kippen hatte sich daraus ergossen. Sie wühlte darin herum. Walde blickte auf ihren Scheitel und das dünne Haar. »Kann ich Ihnen helfen?«
Die Frau hatte die Zigarette gefunden, zog geistesabwesend daran und hielt sie mit der Glut nach unten in der Hand, als wollte sie den Glimmstengel verstecken.
»Frau Schmidt, wir müssen Ihnen leider eine traurige Mitteilung machen.« Walde setzte sich bei diesen Worten gerade auf. »Ihr Mann ist heute Abend ums Leben gekommen.«
Die Frau auf der Couch nahm ebenfalls eine kerzengerade Haltung ein, zog an der Zigarette und schaute dann auf den dunklen Fernseher, als gäbe es dort noch etwas zu sehen.
Walde warf Gabi einen Blick zu. Sie bedeutete ihm mit einer knappen Geste mit der Hand zum Mund und einem Blick zu der leeren Schnapsflasche auf dem Tisch, welchen Eindruck sie von der Frau hatte.
»Frau Schmidt, haben Sie verstanden, was ich Ihnen gesagt habe?« Walde bemühte sich, laut und deutlich zu sprechen. Nun tat ihm die Frau Leid. Er konnte sich vorstellen, was sie für ein Leben hinter sich hatte. Haushalt, Kinder, wenig Geld, ein Mann, der bestimmte, wo es lang ging. Nun waren die Kinder aus dem Haus und der Frust wurde mit der Flasche betäubt.
»Was ist passiert?«
»Ihr Mann hatte einen Unfall.« Walde zog es vor, nicht auf Details einzugehen.
Die Frau schlug die linke Hand vor den Mund und riss die Augen auf, in der rechten hatte sie noch immer die Zigarette versteckt. Sie schluchzte, fing sich wieder und fragte: »Kann ich ihn sehen?«
Diese Frage hatte er befürchtet: »Das ist im Moment leider nicht möglich.« Die Frau realisierte die Nachricht nicht. Sie stand wahrscheinlich unter Schock. Es würde eine Weile dauern, bis sie das Gehörte erfassen konnte.
»Wie ist es passiert?«
Walde seufzte: »Er hat sich in einem Wohnwagen auf dem Parkplatz an der Villa Kestenberg aufgehalten.«
Frau Schmidt angelte hinter einem der Couchkissen eine weitere Flasche hervor, nahm ein Glas vom Wohnzimmertisch und füllte es zur Hälfte. Mit nach hinten gelegtem Kopf trank sie es auf einen Zug leer. Dann starrte sie wieder auf den dunklen Fernsehschirm und schwieg.
In die Stille hinein fragte Gabi: »Ihr Mann fuhr einen Toyota mit dem Kennzeichen TR …«
»… der Karl hat seit Jahren keinen Führerschein mehr«,
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