Inkasso Mosel
unterbrach sie die Frau. »Das soll aber nicht heißen, dass er sich nicht bei den Nutten herumtreiben konnte.«
Walde stutzte. Der Mann hatte keinen Führerschein. »Darf ich mich kurz umsehen?« Er registrierte das abwesende Nicken der Wohnungsinhaberin und suchte die Diele auf. Die Tür zur Küche stand offen. Dort brannte ein Licht über dem Herd. Die nächste Tür führte in ein dunkles Schlafzimmer. Walde schaltete das Deckenlicht ein und blickte auf ein Doppelbett aus weißem Schleiflack. Auf dem rechten Kopfkissen oberhalb des ordentlich gefalteten und glatt gestrichenen Steppbettes lag ein Nachthemd. Auf der anderen Seite wirkte das Bettzeug wie zu einer Wurst verdreht. Oben schaute ein Stück glänzende Kopfhaut heraus.
Gabi schaute Walde verstört an, als er ins Wohnzimmer zurückkam.
Walde setzte sich wieder: »Frau Schmidt, können Sie mir bitte sagen, wer da in Ihrem Schlafzimmer im Bett liegt?«
*
»Regel Nummer eins: Überzeuge dich, dass du bei der richtigen Adresse bist«, sagte Gabi spöttisch und leuchtete mit ihrem Feuerzeug das Klingelschild von vorhin ab: »Da, hier ist noch mal Schmidt.« Die Flamme erlosch. Gabi wedelte mit der Hand und blies über die Finger. Dann leuchtete die Flamme wieder auf: »Schöne Scheiße! Wie wurde der Schmitt geschrieben?«
»Mit DT.«
»Eben der war mit Doppel-T, der hier ist mit DT.«
»Guck mal vorsichtshalber, ob es noch weitere Schmidts gibt.«
Gabi hatte sich erneut einen Finger angesengt.
Diesmal waren sie an der richtigen Adresse. Walde überließ es weitgehend Gabi, der Frau, die sie aufwecken mussten, die schlechte Nachricht zu überbringen. Eine Schwester von Frau Schmidt war zu Besuch, in deren Obhut ließen sie die Witwe zurück.
Auf der Rückfahrt zur City sagten beide nichts. Erst als die im weihnachtlichen Glanz erleuchteten Gründerzeitfassaden der Hotels neben der Porta Nigra auftauchten, fragte Gabi: »Und?«
»Was und?«
»Du weißt doch, was ich dir versprochen hab’. Du hast einen Wunsch frei.«
Als Walde nicht antwortete, fügte sie an: »Zu dir oder zu mir?«
»Zu mir, ich meine, zur neuen Wohnung.«
»Och, Mensch«, Gabi riss an der Ampel zur Lindenstraße den Wagen nach links und fuhr ein Stück gegen die Einbahnstraße, um in die Franz-Ludwig-Straße einzubiegen.
»Musste das jetzt sein?«, protestierte er.
Hundert Meter weiter parkte sie ein, schaltete den Motor ab und griff nach ihrer Handtasche.
»Was hast du vor?«, fragte Walde.
»Sag’ jetzt nichts, ich mag es nicht, wenn die Stimmung zerredet wird.«
»Ich sag’ dir, was du für mich tun sollst.«
»Dann sag’s«, stöhnte Gabi und prüfte im Innenspiegel den Zustand ihres Make-ups.
»Ich möchte«, hob Walde an, »nie mehr,Schöne Scheiße’ von dir hören!«
Freitag, 29. November
Am frühen Morgen entschied sich Walde an der Kreuzung, an der er eigentlich links zur neuen Wohnung abbiegen wollte, für den Weg geradeaus in Richtung Präsidium. Der Ostwind blies unvermindert kalt. Die wenigen Menschen auf den Straßen beeilten sich, an ihr Ziel zu gelangen.
Seine Ohren schmerzten, als er ins Präsidium eintrat, wo ihm wohltuende Wärme entgegenschlug. Im Flur der ersten Etage hörte er Gabis Stimme durch die angelehnte Tür seines Büros. Sie saß mit dem Rücken zur Tür am Besprechungstisch, neben ihr hatte Grabbe, der tiefrote Flecken auf Stirn und Wangen hatte, Platz genommen. Gegenüber saß Meier, wie immer mit unbewegter Miene.
»… und als wir dann endlich bei der richtigen Frau Schmidt gelandet waren, verlangte die von uns«, Gabi hob ihre Stimme um eine Oktave, »ich möchte, dass der Name meines Mannes nicht in der Presse erscheint!«
Jetzt erst bemerkte Gabi Walde hinter sich: »Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand.«
Walde ging nicht darauf ein: »Olga soll für den Job schon ziemlich betagt gewesen sein, sagt Dr. Hoffmann.«
»Schön war sie nie«, bemerkte Meier.
»Ach, du kanntest Olga?« Gabi wandte ihre Aufmerksamkeit nun Meier zu.
»Nicht so, wie du meinst.«
»Ach?« Gabi grinste anzüglich.
»Was soll das heißen?«
»Was?«
»Dieses Ach?«
»Nichts.«
»Dann ist es ja gut.« Und nach einer kurzen Pause: »Was gibt es denn da noch zu grinsen? Ich hab’ die Frau, diese …«
»Olga.«
»Die hab’ ich mal getroffen, weder dienstlich noch geschäftlich, du weißt, was ich meine. Ich steh’ nicht auf wackelnde Wohnwagen.«
Gabi ließ nicht locker: »Wie soll ich das verstehen, weder dienstlich
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