Inkasso Mosel
sein.«
»Meinst du, die wissen von seiner Tochter?«
»Deshalb sind sie nicht gekommen, aber inzwischen haben sie auch das längst spitzgekriegt.« Gabi legte den Rückwärtsgang ein. »Das hindert die Pressefuzzis aber nicht daran, dem armen Mann umso penetranter auf die Pelle zu rücken.«
»Fahr’ bitte weiter«, Walde hatte keine Lust auf einen Spießrutenlauf durch die Pressemeute.
Gabi fuhr langsam vorbei und wendete am Ende der Sackgasse. Auf dem Rückweg bremste sie kurz hinter Harras’ Einfahrt scharf ab. Als der Wagen stand, ließ sie die Scheibe herunter. Walde sah einen korpulenten Mann, der mit Kamera und Stativ vorbeieilte. Er erkannte in ihm den Fotografen der örtlichen Tageszeitung. Noch bevor Walde eingreifen konnte, legte Gabi los: »Du schmieriges, aasfressendes Paparazzi-Arschloch hast hier noch gefehlt!«, keifte sie ihn an. Die Hand mit dem nach oben gereckten Mittelfinger aus dem Fenster, fuhr sie los. Hinter ihnen zuckten Blitze.
»Du solltest noch mal über meinen Tipp mit der Gewaltfantasie nachdenken. Und gezählt hast du auch nicht!«
Gabi presste hervor: »Der kann froh sein, dass du dabei warst, sonst hätte ich ihm ganz was anderes erzählt!« Es klang nicht überzeugend. Walde spürte, dass sie sich über sich selbst ärgerte. Die obszöne Handbewegung war ein gefundenes Fressen für die an akutem Futtermangel leidenden Fotografen.
*
Nach dem zweiten Bier fragte Walde, wie spät es sei. Gabi war sonderbar wortkarg. Monika, auskunftsfreudig wie in Dienstzeiten als Pressesprecherin, schaute auf ihre schmale Uhr mit den goldenen Halbmonden als Zeiger.
Wie sich herausstellte, saß Walde schon über eine Stunde im Muselfesch, länger, als er nach der Geschichte auf der Bitburger vorgehabt hatte. Er verabschiedete sich von seinen Kollegen und umarmte Harry, der immer noch zwei Krücken benötigte. Wenn alles gut ginge, komme er in zwei Monaten wieder zur Kripo zurück, versicherte ihm Harry. Er war blass und hatte eingefallene Wangen.
Harry fürchtete nichts mehr als die Frührente. Falls Grabbe nach Luxemburg wechselte, wäre nicht mehr viel übrig von dem eingespielten Team, das sie einmal gewesen waren.
Walde ging zu Fuß zur neuen Wohnung. Zwischen Farbeimern fand er eine Bäckertüte mit zwei Kümmelstangen. Sie stammten vom Vortag und schmeckten auch so. Kauend betrachtete Walde die gelungene Decke im Kinderzimmer. Er konnte sich nicht sattsehen an den vielen Details. Was war das in der unteren linken Ecke, das unter einer Wolke hervorlugte? Walde ging näher heran und legte den Kopf noch weiter in den Nacken. Er glaubte, eine Art Monogramm zu erkennen. Philipp hatte sein Deckengemälde mit drei ineinander verwobenen Buchstaben signiert: IWA.
Bachs Fuge geriet zu einer wilden Kakophonie, weil die Klingel offensichtlich mehrmals kurz hintereinander gedrückt wurde.
»Hoffmann hat die beiden auf dem Tisch, kommst du mit?« Gabi versprühte am späten Abend noch den gleichen Elan, den sie schon am Morgen gezeigt hatte. Sie machte diesmal nicht den Versuch, Walde davon abzuhalten, sich zum Umziehen ins Bad zurückzuziehen.
»Er hat Olga und ihren letzten Freier wirklich zusammen auf einem Tisch«, informierte sie ihren Kollegen durch die geschlossene Tür.
*
»Ich hab’ noch einen da, der von der Biewertalbrücke gesprungen ist«, der Pathologe deutete zu den Kühlfächern. »Der sieht wenigstens noch wie ein Mensch aus. Aber bei denen hier kann ich teilweise nicht einmal mehr sagen, was zu wem gehört.«
»Dann ist also anzunehmen, dass sie gerade zugange waren, als es den finalen Bums gab«, sagte Gabi. »Ist es nicht so, dass viele Männer sich wünschen, direkt aus den Armen einer schönen Frau in die ewigen Jagdgründe einzugehen?«
»Die Dame war nicht mehr sehr jung«, sagte Hoffmann.
»Schön war sie nie, aber sie hatte innere Schönheit, sonst wäre sie ja wohl nicht so beliebt gewesen«, sagte Gabi.
»Das stammt aus den Fragmenten einer Brieftasche.« Der Pathologe überreichte Walde einen erstaunlich unversehrten Führerschein.
Walde war überrascht, als er das Bild eines Mannes betrachtete, der zu schulterlangen Haaren und Vollbart Jackett und Krawatte trug. Der Führerschein stammte aus dem Jahr 1976 und war auf Karl Schmidt ausgestellt.
»45 Jahre ist er alt geworden, sie war knapp sechzig«, erläuterte der Arzt. »Es hat keine Sekunde gedauert, bis beide tot waren.«
Auf dem Rückweg zum Parkplatz des Krankenhauses sagte Walde: »Ich hab’
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