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Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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ihn noch nie so betroffen gesehen.«
    »Dafür schien er aber noch in ganz lockerer Verfassung zu sein.«
    »Hast du nichts bemerkt?«, fragte er.
    »Nee, was denn?« Sie versuchte, sich beim Passieren des Ausgangs eine Zigarette anzuzünden. Ein Windstoß vereitelte ihr Vorhaben.
    »Er hat keinen seiner üblichen Witze erzählt.«
    Gabi blieb stehen: »Jetzt, wo du es sagst, fällt es mir auch auf.« Sie drehte sich mit dem Rücken zum Wind und schaffte es endlich, die Zigarette anzuzünden. Den Rauch ausstoßend sagte sie: »Du kommst doch mit?«
    »Wohin?«
    »Zur Witwe. Ich habe so was noch nicht gemacht, Walde, bitte«, sie tippte ihm an die Schulter, damit er zu ihr herüberschauen und den Schmollmund sehen konnte, mit dem sie bettelte: »Du sollst das so gut können.«
    »Was?«
    »Schlechte Nachrichten überbringen, das sagen alle.«
    »Wer ist alle?«
    »Na, die Kollegen bis rauf zum Präsidenten. Du hättest das Zeug zu einem Seelsorger.«
    Walde schüttelte den Kopf: »Auch ein Seelsorger hat mal Urlaub.«
    »Ein Seelsorger hat nie Urlaub, der wird berufen, genau wie ein Polizist auch berufen wird.«
    »Ich habe mich noch nie berufen gefühlt.«
    »Das ist traurig.«
    »Ich muss mit der Wohnung fertig werden.«
    »Und wenn ich dir verspreche, dass du einen Wunsch frei hast?«
    »Egal welchen?«
    Gabi grinste anzüglich: »Du kannst es dir aussuchen.«
    *
    »Wie sieht es mit seiner Religionszugehörigkeit aus?«, fragte Walde, dem die Intervallschaltung des Scheibenwischers gegen den stärker werdenden Regen kaum freie Sicht verschaffte. Niemand war auf der Straße Am Weidengraben zu sehen. An den meisten Fenstern waren die Rollläden heruntergelassen.
    »Negativ, sonst hätte ich einen richtigen Seelsorger mitnehmen können.« Gabi fuhr auch in der Wohnstraße zu schnell.
    »Zweitens solltest du dich über die Familienverhältnisse kundig machen, mit wem er zusammenwohnt …«
    »Da vorne ist es.« Gabi setzte den Wagen an einer Bushaltestelle auf den Bordstein. »Hab’ ich alles schon gecheckt. Keine Kinder, wohnt allein mit seiner Frau, knapp zwanzig Jahre verheiratet. Auf Karl Schmidt war ja dieser Wagen zugelassen, du weißt schon, deshalb konnte ich das alles vorher rauskriegen.«
    »Regel Nummer eins: Überzeuge dich, dass du bei der richtigen Adresse bist«, sagte Walde, als sie ausstiegen. »An der Wohnungstür solltest du dich sofort als Polizist zu erkennen geben und ohne Umschweife zum Thema kommen, dann ist der Hinterbliebene schon auf das …«
    »Ja, Herr Lehrer, wird gemacht.« Gabi stieg die dunklen Treppen zur Eingangstür hinauf. Sie drückte auf den rötlich glimmenden Lichtknopf unter der dreireihigen Klingelleiste. Nichts tat sich. Mit dem Feuerzeug aus ihrer Handtasche, die Walde ihr nachgetragen hatte, leuchtete sie die Schilder ab.
    Auf der Straße fuhr langsam ein schwarzes Mercedes Coupé vorbei. Der Wagen passte nicht so recht in diese Gegend. Walde bückte sich und versuchte, den Fahrer zu erkennen.
    »War das nicht Balzer?«, fragte er seine Kollegin.
    Gabi hatte schon das Handy gezückt: »N’Abend Grabbe …«
    »…«
    »Sorry.«
    »…«
    »Ja, ich weiß …«
    »…«
    »Tut mir Leid …«
    »Du musst zum Weidengraben kommen. Ein schwarzer Mercedes CL 500 ist gerade vorbeigefahren. So häufig gibt’s den in Trier nicht. Ich glaube, Balzer treibt sich hier rum. Womöglich will er sich in der Wohnung von Hanna Harras zu schaffen machen.«
    Sie wendete sich wieder den Namensschildern zu: »Wie soll ich denn hier was sehen, wenn alle Lampen kaputt sind? Da ist es.« Gabi drückte eine Klingel. Es dauerte eine Weile, bis der Türöffner summte, ohne dass jemand an der Gegensprechanlage nachfragte. Im selben Augenblick ging auch die Treppenhausbeleuchtung an.
    Das Interieur ähnelte dem, das Walde vor wenigen Tagen im Haus von Hanna Harras gesehen hatte. Nur mit dem Unterschied, dass hier die Graffitisprayer weder die Wände noch die teils aufgebrochenen Briefkästen noch die Türen des Fahrstuhls verschont hatten.
    Nach einer Odyssee durch verschiedene Etagen entdeckten Walde und Gabi im dunklen Flur des vierten Stocks einen Lichtschein, der aus einer nur angelehnten Wohnungstür fiel.
    »Nichts im Treppenhaus sagen, erst wenn wir in der Wohnung sind …«
    »Jaaa, jaaa«, Gabis Absätze klapperten auf den stumpfen Fliesen noch eine Spur lauter als gewöhnlich.
    Walde klopfte an die Tür. Alles blieb ruhig. Er schob sie auf und klopfte nochmals. In der Diele war niemand. Der

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