Inkasso Mosel
geben und diese zu uns nach Trier faxen lassen«, sagte Gabi.
»Und wenn Sie nicht zu Hause ist?«
»Dann probieren Sie es später wieder oder morgen.« Gabi reichte ihm das Telefon rüber.
Roland vertippte sich in der Aufregung mehrmals. Als er endlich durchkam, legte er nach einer Weile wieder auf. »Was hab’ ich gesagt? Sie ist nicht da!«
»Dann versuchen Sie es über Handy.«
»Das hab’ ich bereits«, jammerte er.
Gabi zuckte wieder mit den Schultern.
*
»Und du meinst, dass sich dieser Roland zur Tatzeit in Tübingen war?«, fragte Walde, als er zwei Stunden später mit Gabi zur Wohnung zurückfuhr.
»Noch haben wir kein Fax mit Karlas Aussage. Bis dahin bleibt er bei uns. Und wenn das Fax kommt, wird er unter Auflagen freigelassen. Er darf die Stadt nicht verlassen und muss sich jeden Tag bei der Polizei melden.«
»Und wenn Roland türmt?«
»Warum sollte er das tun?«, antwortete Gabi.
»Warum?«, wiederholte Walde. »Vielleicht, weil er Hanna umgebracht hat?«
»Dann kommt er nicht weit.« Gabi schüttelte den Kopf, als Walde vor einer auf Gelb umspringenden Ampel anhielt.
»Bin mal gespannt, ob ihm die Karla ein Alibi gibt«, bemerkte Walde.
»Wir haben uns für die Ehe aufgespart«, äffte Gabi Rolands Ton nach.
Bevor er sie an ihr Versprechen erinnern konnte, ihm beim Transport der Möbel ins Kinderzimmer zu helfen, stieg Gabi vor Waldes Wohnung in ihren Wagen und fuhr ab, ohne sich noch einmal umzudrehen.
*
Hoffentlich hatte Doris nicht auf ihn gewartet! Walde war erleichtert, als die Wohnungstür abgeschlossen war. In der Diele blieb er einen Moment nachdenklich stehen. Dann wurde ihm klar, dass sämtliche Möbel, die er hier zurückgelassen hatte, verschwunden waren.
Er fand sie im Kinderzimmer, wo sie alle einen Platz gefunden hatten.
Aufgeregt rief er Doris an: »Warst du heute Mittag noch mal hier?«
»Wo?«
»Wo schon? In unserer neuen Wohnung«, Walde versuchte, nicht wütend zu klingen. »Bitte sag’, dass du nicht die schweren Möbel geschleppt hast!«
»Warum?«
»In deinem Zustand ist das doch der helle Wahnsinn!«
»Mir war danach, ein Nest zu bauen. Wann kommst du?«
»Später.« Walde bemühte sich weiter um einen ruhigen Tonfall. »Wie konnte Marie das zulassen?«
»Die kann nichts dafür«, sagte Doris. »Die war nicht dabei.«
»Du willst damit doch nicht sagen, dass du all die schweren Sachen ganz allein … «
Doris schwieg.
»Du hättest dir einen Bruch heben oder eine Sturzgeburt auslösen können!«
»Es ist noch alles da, wo es vorher war«, versicherte sie. »Sehen wir uns heute Abend?«
»Mhm, bis später, und pass’ auf dich auf!«
Nach dem Telefonat versuchte er, die massive Kommode mit dem hohen Wickelaufsatz anzuheben und schüttelte angesichts des Gewichts den Kopf.
Als er den Kleiderschrank wieder abgeschlagen hatte, um die falsch eingebaute Rückwand zu korrigieren, wollte es ihm nicht mehr gelingen, die Teile zusammenzufügen. Immer wieder entglitt ihm eine der gleichzeitig zu verschraubenden Seitenwände, für die er nicht Arme genug hatte.
Völlig entnervt gab Walde auf. Später würde er es noch einmal versuchen. Er schaffte die Kartonagen zur Papiertonne und riss sie in kleine Stücke. Dann faltete er bunte Kisten auf, die als Depot für Spielzeug dienen sollten und baute weitere Kleinteile zusammen, deren Zweck sich ihm zu dieser vorgerückten Stunde nicht mehr erschließen wollte. Als er endlich den Kampf mit dem Kleiderschrank gewonnen hatte, stellte er fest, dass es schon nach Mitternacht war.
*
Als Walde das Haus verließ, machte er ein paar vorsichtige Schritte. Der feuchte Glanz des Pflasters ließ nicht gleich erkennen, ob es nur nass oder schon von Raureif überzogen war. Die Weihnachtsbeleuchtung in der Simeonstraße war bereits ausgeschaltet. Den wenigen Menschen, die hier zu dieser späten Stunde noch unterwegs waren, stand der Sinn nicht nach einem Schaufensterbummel. Im Bücherladen gegenüber dem Kaufhof waren noch Leute zugange. Walde blieb stehen und beobachtete durch das Schaufenster zwei Männer, die Bücher in ein Regal räumten.
Morgen, nein heute, war schon der erste lange Samstag vor Weihnachten. Walde hatte sich noch keine Gedanken darüber gemacht, was er Doris zum Fest schenken könnte. Irgendwie schien die Zeit nach der Geburt des Kindes etwas ganz Unwirkliches zu sein, das er sich noch nicht konkret vorstellen konnte. In Anbetracht der Geburt ihres Kindes und des ersten Weihnachtsfests in der
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