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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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gewöhnt, dachte Primo Ramondi lächelnd. Auf keinen Fall würde sie jemandem von ihm erzählen. Nicht einmal ihrem Zuhälter. Nicht einmal dem Polizisten, der hinter ihm her war. Nicht einmal dem Schatten, der ihm überallhin zu folgen schien, als wollte er ihn an seine Geschichte erinnern. Eine Geschichte, die Primo Ramondi nur zu gut kannte und vor der er seit jeher davonlief. Oder beinahe so lange. Er hatte auch dem Gericht bewiesen, dass dies nicht der Moment der Wahrheit war, ebenso wie diesem Polizisten, der ihn verhaftet und mit seinen dreckigen Händen angefasst hatte. Der ihn mit diesen pechschwarzen Augen angestarrt und Untiefen in ihm ausgelotet hatte, die niemand jemals entdecken sollte, und in dessen Blicken sich Worte verbargen, die auf ewig unausgesprochen bleiben mussten. Von dieser Vorstadthure hatte Primo Ramondi nichts zu befürchten. Er hatte ihr schon in der Vergangenheit zu verstehen gegeben, dass er der Schlauere war. Und der Stärkere.
    Langsam machte er sich auf den Weg zu seiner Wohnung. In dieser Gegend brauchte er nicht mit dem Transporter herumzufahren. Das war sein neues Viertel. Sein neues Reich. Die Nutte hinter ihm kam allmählich wieder zu sich. Er drehte sich zu ihr um, sah, dass sie jetzt kniete und sich mit einer Hand die nackte, blutende rechte Brust hielt.
    »Ach, fast hätte ich es vergessen …«, rief er ihr mit seiner beinahe mädchenhaft schrillen Stimme zu. »Danke!«, und er lachte laut und gekünstelt.
    Die Schultern der Nutte zuckten rhythmisch. Nun weinte sie wieder.
    Primo Ramondi fühlte, wie die Wut erneut in ihm hochkochte, während er an der Ecke einer breiten, menschenleeren Straße stand und die Messerklinge mit einem Papiertaschentuch abwischte. Dann bog er rasch nach links ab, um die Frau nicht mehr sehen zu müssen. Er wollte nicht noch einmal zurückgehen und dafür sorgen, dass sie aufhörte zu weinen.
    So lief er eine Weile gemächlich über den Bürgersteig, betrachtete prüfend die Autos der Anwohner, die dort ganz legal auf dem Mittelstreifen zwischen den beiden Fahrbahnen parkten, alle genau innerhalb der auf Kosten der Stadt gezogenen weißen Linien, Schnauze an Schnauze, dicht an dicht, in den schrägen Parkbuchten, bis ihm ein schwarzer, glänzender Wagen der gehobenen Mittelklasse mit hellen Ledersitzen auffiel, der neben dem ihm zustehenden Raum auch noch einen großen Teil des benachbarten Parkplatzes einnahm. Primo Ramondi seufzte und überquerte die Straße. Holte ein Maßband aus der Tasche, legte es an der rechten weißen Linie an und zog es bis zu dem Punkt, an dem der Wagen in den nächsten Parkplatz hineinragte. Siebenunddreißig Zentimeter. Dann ging er auf die andere Seite und maß dort nach, wie viele Zentimeter der Wagen von der linken Linie entfernt stand. Dreiundsechzig Zentimeter. Nun überschlug er, dass der normale Platz auch für einen so großen Wagen ausgereicht hätte. Nein, da blieben sogar sechsundzwanzig Zentimeter übrig. Das Auto passte ganz bequem in den ihm zustehenden Parkplatz. Man hätte nur genau einparken müssen. Mit Rücksicht auf die anderen Anwohner. Kopfschüttelnd steckte er das Maßband wieder ein. Unordnung war ihm beinahe so zuwider wie Tränen. Nun griff er in die Gesäßtasche seiner Hose, holte ein Klappmesser heraus und ließ es aufschnappen. Die Klinge blitzte in der Dunkelheit auf. Primo Ramondi betrachtete sie lächelnd wie eine alte Freundin. Dann setzte er die Spitze der Waffe auf der Motorhaube an und zeichnete ein Rechteck. Die Klinge quietschte, während der Lack wegspritzte. Dieses Rechteck sollte den Wagen darstellen. Dann zeichnete er ein größeres Rechteck, das für den Parkplatz stand. Schließlich ritzte er noch die Zahlen in den Lack, die er gerade gemessen hatte. Der Besitzer des Wagens sollte nicht etwa denken, es handle sich um einen simplen Akt von Vandalismus, den Streich irgendeines dummen Jungen, der nicht wusste, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Danach reinigte er das Messer von den Lackresten und versenkte die Klinge nacheinander in sämtlichen vier Reifen. Alle sollten wissen, dass jemandem in diesem Viertel Ordnung und gutes Benehmen am Herzen lagen.
    Während der Wagen schwer schnaufend und pfeifend auf die Felgen zusammensackte, setzte Primo Ramondi seinen Heimweg wieder fort. Die großen Wohnblocks hier waren keineswegs so anonym, wie die meisten Leute annahmen. Er hatte jedem dieser zehn Stockwerke hohen Monster zunächst mal einen Namen gegeben. Und dann hatte

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