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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Grund hier auf diesem menschenleeren Platz in einem sehr abgelegenen Vorort der Stadt stattfand. Ein Fest mit sehr wenigen Gästen. Das Objektiv der Kamera fing die beiden Polizisten ein, während sie aus dem Streifenwagen stiegen. Im Hintergrund hörte man ständig krächzende Meldungen aus ihrem Funkgerät.
    Der kleine Platz lag verlassen da. Außer dem Streifenwagen parkten hier nur noch zwei alte Kleinwagen im Schein einer Straßenlaterne, die ihr gelbliches Licht über den Asphalt dieser Vorortbaustelle verströmte. Einer davon gehörte einem dritten Beamten in Zivil, der sich an einen verdreckten, ehemals roten Bagger lehnte und nervös an einer Zigarette zog.
    »Na, wurde aber auch Zeit, dass ihr kamt«, begrüßte er seine Kollegen und trat die Kippe aus. Durch das Mikrofon der Kamera hörte man laut und deutlich, wie seine Sohle auf dem Kies der obersten Schicht des Straßenbelags knirschte.
    Das zweite Auto gehörte dem Wachmann der Baustelle.
    »Scheiße, was dreht ihr da? Schmutzige kleine Filmchen?«, fragte er und hielt seine Hand vor die Augen, um sie gegen das Licht des Scheinwerfers zu schützen.
    »Es ist alles in Ordnung«, antwortete ihm einer der beiden Streifenbeamten.
    »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich in Schale geworfen«, erklärte der Polizist in Zivil.
    Die beiden Streifenbeamten lachten.
    Die Kamera schwenkte über den ganzen Platz, der eine düstere Atmosphäre ausstrahlte. Er wurde an drei Seiten von noch im Bau befindlichen, hohen Wohnblocks begrenzt, von denen einige fast fertig gestellt, andere aber auch erst riesige, skelettartige Rohbauten waren. Von dem Platz gingen drei Straßen ab, die sich irgendwo in der Umgebung verloren.
    »Noch zehn Minuten, dann gehe ich nach Hause«, sagte der Beamte in Zivil, der gerade nicht im Blickfeld der Kamera war. »Ich hab keine Lust, mir hier eine weitere Nacht die Beine in den Bauch zu stehen, nur wegen so eines schwachsinnigen Anrufs!«
    Auf der vierten Seite des Platzes befand sich nur ein Stoß länglicher Bordsteine aus Travertin. Die beinahe künstlich weißen, rechteckigen Quader waren in der Mitte dieser Seite übertrieben ordentlich zu einer Art Mäuerchen aufgestapelt. Dahinter zog sich eine Schotterstraße den kleinen, mit Dornengestrüpp bewachsenen Hügel hinauf, den man später vielleicht einmal in einen armseligen Spielplatz verwandeln würde. Die Kamera war nun auf die ersten Meter der Steigung gerichtet, bis der Mann dahinter wieder zurück auf den Platz schwenkte.
    Überall, wo der schwache Schein der Lampe die Dunkelheit durchdrang, sah man Haufen umgegrabener Erde, Baumaterial, monströse Maschinen – wie riesenhafte versteinerte Kreaturen, die am nächsten Tag wieder ihre giftigen Dämpfe ausstoßen würden – und orangefarbene Plastikbänder, die die Bereiche absperrten, in denen die Aushubarbeiten noch nicht abgeschlossen waren. Alles außer diesen regelmäßigen Bordsteinen aus Travertin wirkte unordentlich und chaotisch.
    Irgendwo im Hintergrund lief ein Fernseher. Der Mann hinter der Kamera entdeckte den Ursprung des Geräuschs und richtete das Objektiv auf den bläulich flackernden Schein, der aus einem Fenster im Erdgeschoss eines beinahe fertig gestellten Gebäudes kam, dem Aufenthaltsraum des Wachmanns. Die übrigen Fenster der Wohnblocks, an denen noch gebaut wurde, waren schwarz und wirkten wie die erloschenen Augen gemarterter Kreaturen, in denen die durch die Lichtstrahlen der Kamera entstehenden Schatten wie ruhelose Gespenster tanzten. Die Luft war gesättigt und schwer von dem Staub, der aus den Zement- und Mörtelhaufen aufstieg und stechend Augen und Nase reizte. Er brannte auf der Haut und trocknete sie aus. Alles Übrige war in Stille versunken, einer düsteren Stille voller riesenhafter, drohender Schatten, die der milchige Schein des Mondes der Dunkelheit abrang.
    Im gleichen Moment schwenkte die Kamera, das Bild wackelte, zeigte zunächst den dunklen Nachthimmel und dann den schwarzen Asphalt.
    »Entschuldigung«, hörte man eine Stimme außerhalb des Blickfeldes murmeln.
    Während der Mann, den einer der beiden Beamten angestoßen haben musste, sich die Kamera auf der Schulter zurechtrückte, zeigte der Bildausschnitt einen Moment lang die gegenüberliegende Seite des Platzes, den Stapel Bordsteine aus Travertin und die bedrohlich wirkende, undurchdringliche Landschaft dahinter. Der Lichtstrahl des Scheinwerfers beleuchtete jetzt die ersten Meter der Schotterstraße. Dann machte die

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