Innenhafen
hatte.
»Da kann man machen nix«, sagte ich enttäuscht.
»Ja. Da kann man machen nix«, stimmte Heiko zu. Er stand auf und reckte sich. »Jetzt wissen wir wenigstens, dass da nichts ist. Ich hol mir einen Kaffee. Willst du auch einen?«
»Gerne.« Ich sah ihm hinterher. Mein Blick landete wieder auf seinem Bildschirm. Er war immer noch im Echtsystem. Und er hatte seinen PC nicht gesperrt. Schnell tippte ich den Namen Pietr Matzek ein. Und wurde fündig. Über Matzek gab es tatsächlich eine Akte. Ich steckte meinen Stick in denUSB-Port und speicherte die Daten. Dann schloss ich die Software. Ich war gerade fertig, als Heiko wieder zurückkam. Mit leicht schlechtem Gewissen nahm ich den Kaffeebecher in Empfang.
An meinem eigenen Arbeitsplatz konnte ich einer weiteren Versuchung ebenfalls nicht widerstehen. Ich wollte wissen, was genau in der Akte zu Kurtis Tod stand. Die Technik hatte das ausgebrannte Fahrzeug doch gewiss durch die Mangel gedreht und Rückschlüsse auf die Ursache des Unglücks gezogen. Wenn Bea mich am ausgestreckten Arm verhungern ließ, musste ich mir die Informationen eben selbst besorgen. Schließlich saß ich an der Quelle.
Ich loggte mich im Vorgangsbearbeitungssystem IGVP ein, gab den Namen Kurt Türauf ein und hoffte, dass der Vorgang trotz des Systemzusammenbruchs bereits den Weg aus den Vorsystemen in die Hauptdatenbank gefunden hatte. Ich hatte Glück. Fünf Minuten später war auch diese Akte in digitaler Form auf meinem Stick gespeichert. Und weil das so schön geklappt hatte, suchte ich gleich noch nach der Akte Max Schulze. Auch hier interessierte mich brennend, was die ermittelnden Beamten zu dem Thema zu sagen hatten.
Den Rest des Tages nahm mich eine Teambesprechung in Beschlag, aus der ich mit einem Sack voller neuer Aufgaben rausging. Der Parkplatz hinter dem Gebäude war schon ziemlich leer, als wir endlich fertig waren. Die meisten Kollegen waren bereits ins Wochenende entschwunden. Flüchtig überlegte ich, ob ich die Dateien, die ich auf meinen Stick gezogen hatte, noch hier im Büro sichten sollte. Doch dann tauchte mein Chef in unserem Büro auf, und ich entschied mich dagegen. Zu riskant. Wer weiß, wie lange der sich noch hier herumtreiben würde. Schließlich war er bekannt dafür, dass er kein Ende fand.
* * *
Ich fuhr zum Krankenhaus und saß eine Weile an Max’ Bett. Lauschte seinem Atem. Hielt seine Hand. Und kam mir seltsam nutzlos vor, während ich das tat.
»Im Moment schlafe ich bei dir«, flüsterte ich. »Mit Bonnie und Clyde. In meine Wohnung darf ich nicht. Sagt Bea. Sie hat Angst, dass jemand bei mir einbricht und mich umnietet. Der, der mein Auto in die Luft gejagt hat.«
Max’ Lider zuckten. Aber er schlug die Augen nicht auf. Konnte er mich trotzdem hören?
»Weißt du, wie ich das Haus zurzeit betrete und verlasse? Nicht etwa durch die Eingangstür. Hinten über die Mauer klettere ich. Ist das nicht albern? Von der Werkstatt aus. Und dann durch die Kellertür. Heute früh hab ich gewartet, bis es leer auf dem Hof war, und dann bin ich schnell über die Mauer rüber. Hab deinen Wagen abgeholt. Zweihundertfünfundneunzig Euro hat die Inspektion gekostet. Ich hab’s bezahlt. War eigentlich nichts weiter dran. Öl haben sie gewechselt. Und den Ölfilter. Und die Klimaanlage gewartet. All so ein Zeug halt. Dann bin ich mit dem Wagen zur Arbeit gefahren. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.«
Erneut zuckten die Lider.
»Es geht dir besser, hat der Arzt gesagt.« Zweifelnd sah ich ihn an. Er sah nicht so aus, als ginge es ihm wirklich besser. Noch genauso grau und bleich wie am Tag zuvor. »Die Schwellung im Gehirn ist zwar noch nicht weg, aber deutlich auf dem Rückzug. Und vor allem gibt es keine Nachblutungen«, fuhr ich leise fort. »Noch zwei Tage, dann lassen sie dich aufwachen. Wenn dann alles in Ordnung ist, kannst du bald nach Hause. Ich backe dir einen Kuchen. Apfelkuchen. Den magst du doch so gerne. Mit Walnüssen. Dann hast du was, auf das du dich freuen kannst.«
Keine spürbare Reaktion. Wie auch. Wurde ja alles unterdrückt. Künstliches Koma, wohldosiert. Mir schossen die Tränen in die Augen.
»Ich geh jetzt besser, Max«, flüsterte ich. »Bin heute etwas nah am Wasser gebaut. Und die Catos warten auf ihr Futter. Eine Kleinigkeit einkaufen sollte ich auch noch.« Ich wischte mir das Wasser aus den Augenwinkeln und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn unterhalb des Verbandes. Bedrückt verließ ich das
Weitere Kostenlose Bücher