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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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Klinikum.
    * * *
    Obst, Gemüse. Kartoffeln. Flammkuchen. Joghurt und Quark. Etwas Wurst und viel Käse. Und Wein. Klopapier brauchte ich auch. Und irgendeinen Badezusatz. Vor dem Regal mit dem Shampoo und den Haarfärbemitteln blieb ich erneut stehen. Ich ließ meinen Blick über die unterschiedlichen Markenprodukte wandern. Randvoll mit Chemie. Meine Kopfhaut juckte schon vom bloßen Ansehen. An einer Verpackung blieb ich hängen. Wegen der Bezeichnung. »Naturhaarfarbe« stand darauf zu lesen. Früher hätte man Henna dazu gesagt. Da konnte man auch nur zwischen Henna rot und Henna schwarz entscheiden. Heutzutage schien selbst die Verwendung von Erdfarbe eine Wissenschaft für sich zu sein. Ich studierte die unterschiedlichen Farbmischungen und entschied mich für Herbstlaub. Weil es so hübsch klang. So unübersehbar leuchtend.
    Obwohl ich brennend gerne einen Blick in die Akten auf meinem Stick geworfen hätte, traute ich mich im Dunkeln nicht in meine Wohnung hinüber. Ich würde Licht machen müssen. Und selbst wenn nicht, das bläuliche Licht meines Monitors würde mich verraten. Ich dachte an Max und mein zerstörtes Auto und hatte Angst. Max’ PC war leider passwortgeschützt. Also musste das warten.
    Eine Weile später saß ich auf Max’ Sofa, vor mir ein Glas Wein und einen Teller mit in griffige Dreiecke geschnittenem Flammkuchen, die Haare eingematscht mit dickem, rotem Erdbrei, und zappte mich durch die Kanäle. Clyde balancierte über die Rückenlehne des Sofas und schnupperte ausgiebig an meinem Kopf. Seine Schnurrhaare kitzelten mich im Gesicht.
    »Willst du etwa auch mal?«, fragte ich und kraulte seinen schwarzen Pelz. »Schwarz mit rötlichem Schimmer? Bestimmt todschick. Die Katzenwelt wird dir zu Füßen liegen.«
    Er gurrte, sprang aufs Sofa hinunter und angelte mit der Pfote nach dem Flammkuchen auf dem Couchtisch.
    »Nix da«, wehrte ich ab. »Das hier ist mein Abendessen. Futter für Zweibeiner, du verfressenes Monster.«
    * * *
    Im hellen Tageslicht traute ich mich dann doch. Es war ungewohnt sonnig an diesem Samstagmorgen. Und wenn ich mich weit von den Fenstern entfernt aufhielt, würde niemand bemerken, dass in meiner Wohnung wieder Leben war.
    Ich lauschte dem vertrauten Summen des Kühlschrankes, während meinPC hochfuhr. Kurz darauf hörte ich die Katzenklappe in der Balkontür klappern, dann das leise Klacken von Krallen auf dem Dielenboden. »Hallo, Tiger«, begrüßte ich Bonnie, als sie auf meinen Schreibtisch sprang. Die Katzentür klapperte ein zweites Mal. Mit leisem Keckern trabte Clyde ins Wohnzimmer, rieb sich begrüßend an meiner Hand und rollte sich dann auf meinem Lieblingssessel zusammen. Meine Süßen, dachte ich gerührt. Bloß nicht den Anschluss verpassen. Immer da, wo man selbst sich gerade aufhielt. Die Aussage, dass Katzen nicht menschenbezogen waren, war völliger Blödsinn. Bonnie tanzte jetzt vor dem Monitor herum. Ich konnte gerade noch verhindern, dass sie auf die Tastatur latschte. »Kein guter Platz für Pelztiere«, sagte ich streng, hebelte sie aufs Sofa und kraulte ihren getigerten Pelz. »Jetzt lass mich arbeiten.«
    Ich begann mit der Akte von Matzek. In Riga geboren, in Duisburg aufgewachsen, danach einige Jahre wieder in Riga. In beiden Städten war er gemeldet. Von 2005 bis 2009 war er ständig zwischen Duisburg und Riga hin- und hergependelt, häufig mit dem Lkw. »Verdacht auf Schmuggel«, war in der Akte vermerkt. Gefunden hatte man aber nie etwas.
    Pietr Matzek hatte bereits drei Haftstrafen wegen gefährlicher Köperverletzung auf dem Buckel. In Riga. Dort sagte man ihm auch Kontakte zur Unterwelt nach. Mafia? Auf jeden Fall irgendeine organisierte Bande. Hier in Deutschland hatte er sich seit einer Jugendstrafe wegen Totschlags im Affekt nichts zuschulden kommen lassen. Und dennoch gab es eine Akte über ihn. Irgendjemand hatte es für nötig befunden, sich auch noch Jahre, nachdem er aktenkundig geworden war, mit dem Leben von Pietr Matzek auseinanderzusetzen.
    In einem Randvermerk, einem Notizfeld, fand ich etwas Interessantes. Dort stand der Name Miroslaw G. Zirkow, versehen mit dem Kommentar »überprüfen«. Und eine Zeile darunter hieß es: »Akte beim Bund angefordert. Wirtschaftskriminalität.« Tonlos pfiff ich durch die Zähne. Miroslaw G.? Etwa Gino? Miroslaw Gino Zirkow? Also doch kein Zufall, und ein Verwandter auch nicht.
    Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme in meinem Nacken.

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