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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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belustigt ein. »Außerdem melde ich mich ja jetzt. Hätte ich ohnehin gleich gemacht. Was gibt’s?«
    »Ich wollte bloß unser weiteres Vorgehen abstimmen. Ich musste heute noch eine Auftragsarbeit fertig machen. Das ist aber jetzt erledigt. Und bei dir? Was hast du heute so getrieben?«
    »Och, eigentlich nichts.«
    »Du willst mir doch nicht etwa sagen, dass du den ganzen Tag nur faul auf der Couch herumgelungert hast?«
    »Nicht direkt. Erst habe ich mit Kurts Chef geplaudert. Also dem Herrn und Meister der Ruhrcity-Bank. Einem Herrn Dr. Behrends. Auf den hatte Kurt einen ziemlichen Brass. Aber die Antipathie beruhte wohl auf Gegenseitigkeit.«
    »Das klingt nicht gerade hilfreich.«
    »Ja und nein. Behrends kommt mir nicht ganz koscher vor. Aber da ist noch was.«
    »Ja?«
    »Ich habe die Frau gefunden«, sagte ich stolz. »Kurts Frau. Ich weiß, wie sie heißt, und ich weiß, wo sie wohnt. Leider wollte sie nicht mit mir reden«, schob ich kleinlaut hinterher.

SECHS
    Während ich den Wagen über die A 45 in Richtung Wuppertal lenkte, dachte ich über Barbara nach. Was hatte ich eigentlich gegen sie, von ihrem seltsam divenhaften Auftritt mal abgesehen? Und seit wann war das so? Musste neu sein, schließlich hatte ich sie lange nicht gesehen. Und früher waren wir immerhin mal befreundet gewesen. Gut befreundet. Ich wusste keine richtige Antwort auf diese Frage. Zumindest keine, die ich für mich akzeptieren mochte. Denn ich hasste Konkurrenz. Dieses ewige Gerangel um erfolgreicher, besser, schöner und die damit verbundenen Ellenbogen, das Durchsetzungsvermögen, das nur zu gerne mit Rücksichtslosigkeit verwechselt wurde … Und dennoch war mir klar, dass ich Barbara seit dem Ende unserer Schulzeit nicht mehr ausstehen konnte und dass das mit Volker zusammenhing.
    »Das ist albern, banal und außerdem Schnee von gestern«, brummelte ich vor mich hin, während ich den Anweisungen des Navis folgte und die Autobahn hinter dem Kemnader Stausee verließ. Das Navi leitete mich durch den alten Ortskern von Sprockhövel hindurch und dann über schmale Wege zu einem Gebäude aus Natursteinen, das schwer nach Dorfschule aussah. Auf dem Vorhof standen ein paar große Plastiken aus bunt zusammengewürfeltem Schrott, die wie groteske Lebewesen menschlichen oder tierischen Ursprungs wirkten, mitten in der Bewegung zum Stillstand verdonnert wie Orpheus in der Unterwelt. Sie hatten etwas rührend Menschliches und extrem Dynamisches an sich.
    Ich stellte mein Auto neben einem Motorrad ab und betrachtete die Plastiken in Ruhe. Dann nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Barbara stand in der großen Eingangstür des Backsteingebäudes. Aus dieser Entfernung sah sie aus wie ein junges Mädchen, denn sie trug ein weißes Männerhemd, das ihr viel zu groß war. Es war von Farbspritzern übersät, und weitere farbige Sprenkel zierten ihr Gesicht wie Sommersprossen.
    »Interessante Skulpturen.« Ich ging zu ihr hinüber. »Sind die von dir?«
    »Nein. Die sind von einem Künstler, der hier ein Atelier gemietet hat. Hinten im Garten sind noch mehr davon.« Barbara strich sich über die kurzen, dunklen Haarstoppel. Auch ihre Hand war von Farbklecksen gesprenkelt.
    »Rosten die nicht, wenn die hier draußen so rumstehen?«, fragte ich neugierig.
    »Das sollen sie ja gerade. Gerd holt sie erst rein, wenn sie schon eine gewisse morbide Patina haben. Dann erst stoppt er den Witterungsprozess.«
    »Aha«, sagte ich zweifelnd. Ich fand es schade, die Figuren verrotten zu lassen. »Und du? Was machst du?«
    »Ich male.« Sie wies auf ihr Hemd. »Schrott ist mir zu …«, sie schien nach dem passenden Wort zu suchen, »zu unübersichtlich irgendwie. Solche Figuren könnte ich nicht machen. Da fehlt mir der Blick für. Willst du nicht reinkommen?«
    Ich folgte ihr durch das große Treppenhaus hinauf ins obere Stockwerk.
    »Unten und im ersten Stock sind nur Ateliers«, erklärte sie. »Die sind größtenteils vermietet. Hier oben wohnen wir. Zumindest ein paar von uns.«
    »Eine WG«, staunte ich. »In unserem Alter? Und so was klappt?«
    »Nicht ganz.« Sie lächelte spöttisch. »Die Besitzverhältnisse sind eindeutig. Wer hier wohnen kann, entscheide ich allein.«
    »Dir gehört das Gebäude?«
    »Ja«, bestätigte sie. »Es war früher eine Schule, ich habe es entsprechend umbauen lassen. Wohnen tun wir hier oben nur zu dritt, und das klappt sehr gut. Nur Frauen, das war mir wichtig. Jede hat zwei zusammenhängende Zimmer.

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