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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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wieder und sah mich an. »Nicht richtig jedenfalls. Er hat geschmachtet. Mir gesagt, dass er mich toll findet, dass er immer für mich da ist, aber natürlich weiß, dass er keine Chance hat bei mir …«
    »Das stimmte ja vermutlich auch.«
    »Ja, schon.« Sie lachte auf. »Das lag aber primär daran, dass es wie eine Masche rüberkam. Es war irgendwie so … unterwürfig. Und damit gleichzeitig schrecklich vereinnahmend. Außerdem habe ich von Männern, die sich in mein Leben einmischen wollen, die Nase gestrichen voll.«
    »Hmm.« Ich nickte zustimmend. Sie hatte Kurts Anmache ganz treffend charakterisiert, so viel stand fest. »Wie oft kam er denn her?«
    »Warte …« Sie fuhr sich über die Stoppeln, während sie überlegte. »Anfangs bestimmt einmal in der Woche. Dann reduzierte sich das auf alle zwei bis drei Wochen. Und dann …« Sie zögerte. »Er war zuletzt bestimmt fünf Monate nicht mehr hier gewesen«, sagte sie schließlich erstaunt. »Das ist mir gar nicht aufgefallen!«
    »Na, positiv hätte dir das doch schon auffallen können, oder?«
    »Du weißt doch, wie das ist. Vermissen tut man nur die Dinge, die einem gefallen.«
    Ja, ja. Aus den Augen, aus dem Sinn , meldete sich die alte Dame zu Wort. Hast recht, Großmutter. Ich schmunzelte. »Und sonst? Hat er was über seine Arbeit erzählt?«
    »Und ob. Da hatte er viel zu erzählen. So viel, dass ich gar nicht mehr so richtig zugehört habe.«
    »Hat er mal was über Unregelmäßigkeiten gesagt?«
    »Über seinen Chef hat er mächtig hergezogen. Hat behauptet, dass der keine reine Weste hätte. Dass er betrügen würde und in dunkle Machenschaften verstrickt wäre … Dummes Geschwätz halt.«
    Ich wunderte mich. Was machte sie da so sicher?
    * * *
    Die Abteilung für Kreditberatung der Ruhrcity-Bank befand sich im ersten Stockwerk des Siebziger-Jahre-Kastens. Ich betrat ein Großraumbüro mit mehreren Schreibtischen, die in lockerer Anordnung im Raum verteilt waren. Hohe, breit verästelte Ficus Benjamini in dem für Geschäftsräume so typischen braunen Granulat sorgten für Atmosphäre, dichte Teppichböden schluckten den Schall. An zwei Tischen schienen gerade Kundengespräche stattzufinden.
    Im hinteren Teil des Raumes war ein großzügiger Bereich mit Glas abgetrennt. Offensichtlich hauste dort die Abteilungsleitung, vor Geräuschen geschützt und dennoch alles gut im Blick. Eine weitere Hydrokultur lenkte den Betrachter ab von dem Schreibtisch im Separee, der trotz seiner Größe ohnehin kaum auffiel, denn er bestand komplett aus Glas und gab den Blick auf wohlgeformte Beine in schwarz glänzendem Nylon frei. Mein Blick wanderte die Beine hinauf, vorbei an einem schmal geschnittenen tomatenroten Rock und einer ebenso roten Kostümjacke. Eine zierliche Brünette, die aufgeblickt hatte, als ich den Raum betrat, und nun das Geschehen zu beobachten schien, sofern man denn von einem Geschehen sprechen konnte, denn in dem Großraumbüro kümmerte sich niemand um mich.
    Sie hatte ausdrucksstarke braune Augen und ein schönes, ovales Gesicht, das eindeutig an die ehemalige Tagesthemensprecherin erinnerte. Ein weiterer unerreichbarer Stern an Kurts Frauenhimmel. Ehemaliger Stern, korrigierte ich mich. Einer, bei dem er nicht hatte landen können. Mal wieder.
    Anne Will ließ ihren Blick noch einmal durch das Großraumbüro wandern, runzelte unwillig die Stirn und beugte sich über den Schreibtisch. Ich zuckte zusammen, als ihre Stimme zwar wohltönend, aber dennoch sehr gebieterisch über Lautsprecher durch den Raum schallte: »Frau Wolfe, Sie haben Besuch. Frau Wolfe, bitte!«
    Neben mir raschelte es. Eine rundliche Frau mit Stupsnase hastete mit hochrotem Kopf aus einem angrenzenden Flur auf mich zu. »Frau Blauvogel?«, fragte sie etwas atemlos.
    Ich nickte und verkniff mir das Grinsen.
    »Entschuldigen Sie bitte, ich musste gerade mal … Kommen Sie bitte mit.«
    Anne Will schien ihre Mitarbeiterin sehr gut im Griff zu haben. Vielleicht ein bisschen zu gut?
    »Ist doch kein Problem«, beschwichtigte ich. »Ich bin auch etwas früh dran.« Ich ließ mich auf einem der beiden Besucherstühle vor ihrem Schreibtisch nieder. Nicht ganz so schick wie der des Chefs, dafür aber eindeutig bequemer.
    »Sie möchten also einen Kredit aufnehmen«, eröffnete Frau Wolfe immer noch ein wenig atemlos das Gespräch. »Um welchen Betrag soll es denn dabei gehen?«
    »Ich weiß es noch gar nicht so recht«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Eigentlich möchte ich

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