Innenhafen
Architektenbüro Norman Foster & Partners, die Landesentwicklungsgesellschaft, die Treuhandstelle GmbH und die Kaiser Bautechnik. Zur Planung, Durchführung und Kontrolle dieses Projektes wurde eigens eine Entwicklungsgesellschaft gegründet.
Neben Foster hatte sich im Laufe der letzten Jahre eine Reihe weiterer Architekten und Bauträger am Innenhafen ausgetobt. Ein Projekt, das sogenannte Eurogate, konnte mangels Investoren bis heute nicht umgesetzt werden. Und als das vorläufige Ende der langen Kette krönte nun dieses merkwürdig unproportionale Drachengebilde, kurz LogPort-Zentrum genannt, das östliche Hafengebiet. Das EuroLogistik-Begegnungszentum sollte in den LogPort-Tower einziehen, im unteren Teil würde der Drachenkorpus die LogPort-Mall beherbergen, im ersten Stock das LogPort-Museum. Wenn das Gebäude denn mal bezogen wurde.
War ich damit schlauer? Kaum. Ich wusste immer noch nicht, worum es hier ging. Alles noch viel zu schwammig. Wischiwaschi. Zornig klemmte ich mich ans Telefon.
»Natürlich machen wir weiter«, empörte Volker sich, nachdem ich ihm von meinen Recherchen in Sachen Innenhafen und dem Besuch bei Bettina berichtet hatte. Den bei Behrends ließ ich dezent außen vor. »Wo wir doch schon ein gutes Stück vorangekommen sind. Da können wir doch jetzt nicht einfach so aufhören«, tönte er weiter.
»Stimmt. Drei … äh … zwei Männer des Quartetts«, korrigierte ich mich schnell, »können wir jetzt eindeutig zuordnen. Behrends und Stadtrat Schönlein. Auf beide war Kurt nicht gut zu sprechen. Schönlein hat er laut Bettina Vetternwirtschaft und Klüngelei vorgeworfen, schlimmer als in Osteuropa.«
»Womit wir wieder bei den Firmen in Lettland sind, und damit bei den Namen Zirkow und Matzek.«
Wovon ich Letzteren ebenfalls einem Gesicht auf den Bildern zuordnen kann, dachte ich still. Was Zirkow mit allergrößter Wahrscheinlichkeit zum Vierten der sogenannten Doppelkopfbrüder macht. Damit hätten wir alle identifiziert. Mein Gewissen regte sich leise, weil ich Volker diese Information vorenthielt.
»Wir sollten morgen noch mal diese Irina besuchen«, schlug er vor. »Vielleicht kann sie uns ja was zu den Personen auf den Fotos sagen.«
Die Idee gefiel mir. Wenn Irina Matzek oder Zirkow identifizierte, brauchte ich meinen Besuch bei Behrends nicht ins Spiel zu bringen. Schnell stimmte ich zu. Wir verabredeten uns für den kommenden Vormittag um zehn Uhr in Altenessen.
Ich legte auf, streckte mich auf meinem Sofa aus und schloss die Augen. Szenenbruchstücke der vergangenen Tage drängten in wirrer Abfolge in mein Bewusstsein. Die Baukulisse am Duisburger Innenhafen, Behrends bedrohliche Waigel-Brauen, der wasserspeiende Nana-Vogel, rostende Skulpturen vor einer alten Schule in Sprockhövel. Barbaras riesige Sinéad-O’Connor-Augen, die kurz geschorenen Haare, ein Mann, schemenhaft und groß, hart auf sie einprügelnd … Und dann hatte ich plötzlich das Bild von Onkel Gerhard vor Augen. Sah ihn vor mir, den alten Mann, wie er mir mit zittriger Hand ein zerknittertes Foto seines geliebten Hundes vor die Nase hielt. Eines Hundes, der schon lange tot sein musste. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es war, in so einer Anstalt zu leben. Und die, in der Onkel Gerhard untergebracht war, schien noch eine der besseren zu sein. Mein Gefühl sagte mir, dass ich einen Aufenthalt im »Haus Bethesda« niemals würde bezahlen können. Wie alt mochte Gerhard Schröder wohl sein? Achtzig? Älter bestimmt nicht. Und wie lange schon kreisten seine Gedanken nur noch um diesen Hund, der schon seit Ewigkeiten tot war? Plötzlich hatte ich entsetzliche Angst vor dem Alter.
ZEHN
»Kann ich dein Auto haben?«, fragte Max. »Ich muss leider überraschend nach Köln, habe meinen Wagen aber vorhin in die Inspektion gegeben. Oder wolltest du noch weg?«
Ich überlegte kurz. »Nimm ruhig«, sagte ich dann. »Wir wollen zwar noch mal zu Irina, aber Volker kann mich bestimmt abholen.«
Für einen flüchtigen Moment sah ich etwas in Max’ Augen aufblitzen. Etwas Undefinierbares.
»Lass dich mal drücken«, sagte ich spontan und machte einen Schritt auf ihn zu.
Aber er drehte sich zur Seite und griff nach dem Wagenschlüssel an meinem Schlüsselbrett. »Ich bin etwas in Eile«, murmelte er und zog die Tür hinter sich zu. Es hatte etwas von Flucht an sich.
* * *
Erneut saßen wir in dem kleinen Wohnzimmer von Irina Kruzsca. Die lange Wunde in ihrem Gesicht sah nach wie vor schlimm aus, wulstig
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