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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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hatte begonnen, Lärmschutzwände gegen den steten Lärm hochzuziehen, der von der A 59 heruntergetragen wurde. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte Kurt ungefähr hier seinen Kreis auf der Lageskizze des Innenhafens gemacht. Auf der Skizze war an dieser Stelle aber noch Brachland gewesen. Ich ging weiter bis zu dem Baustellenzaun, der das Gelände abschirmte. Ein Schild gab Aufschluss darüber, dass sich die Bürger hier auf ein Logistik- und Dienstleistungs-Begegnungszentrum sowie das LogPort-Museum freuen durften.
    Begegnungszentrum? LogPort-Museum? Hm …
    * * *
    Bettina trug helle Farben, als sie mir die Tür öffnete. Und so durchscheinend, wie ich sie von der letzten Begegnung her in Erinnerung hatte, war sie auch nicht mehr.
    »Darf ich kurz reinkommen?«
    »Ja, aber ich muss bald weg. Ich bin mit einer Freundin verabredet.« Sie sah irgendwie schuldbewusst aus, trat jedoch beiseite und ließ mich ein. Dann blieb sie im Flur stehen, so, als wollte sie mir erst gar keine Gelegenheit geben, mich zu setzen.
    »Warum auch nicht? Das Leben geht weiter. Und man selber bewegt sich mit. Diese Farben stehen dir übrigens wesentlich besser als Schwarz.«
    »Danke.« Sie lächelte flüchtig. »Was wolltest du wissen?«
    »Sagt dir der Name Pietr Matzek was?«
    »Nein. Nicht, dass ich wüsste.«
    »Und Holger Schönlein?«
    »Der Kerl vom Stadtentwicklungsdezernat? Über den hat sich Paps immer sehr aufgeregt.«
    Dezernat für Stadtentwicklung! Das war’s, woher ich den Namen und das eine Gesicht auf den Fotos kannte. Schönlein war Stadtrat und zierte als solcher öfter mal die Lokalseiten der »NRZ«, die mein Kollege immer mit ins Büro brachte. »Warum hat er sich aufgeregt?«, fragte ich interessiert.
    »Er hat geschimpft, dass man hierzulande nur durch Beziehungen weiterkommt. Durch Filz und Klüngel, schlimmer als in Osteuropa.«
    »Das Stichwort Innenhafen ist dabei nicht zufälligerweise mal gefallen?«
    Bettina schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Allerdings habe ich wirklich meistens abgeschaltet, wenn er so losgelegt hat.«
    »Aber dass er sich über Schönlein beschwert hat, das weißt du sicher?«
    »Ja. Er hatte sich ziemlich eingeschossen auf ihn. Von Vetternwirtschaft geredet und davon, dass die in der Stadtverwaltung alle Dreck am Stecken haben. Stammtischgerede halt.«
    Oder auch nicht, dachte ich. »Sonst fällt dir nichts zu Schönlein ein? Und Matzek kennst du nicht«, bohrte ich noch mal nach. »Miroslaw Zirkow vielleicht?«
    »Leider nein.« Sie zuckte bedauernd mit den Schultern.
    Ich öffnete meinen Rucksack und zog Ausdrucke der eingescannten Kladde heraus. »Das ist die Schrift deines Vaters. Kannst du sie vielleicht entziffern?«
    Sie nahm sie, warf einen flüchtigen Blick darauf und reichte sie mir zurück. »Volker war deswegen schon hier. Aber tut mir leid. Mir musste Paps immer alles in Druckbuchstaben aufschreiben. Seine Schrift ist auch für mich absolut unleserlich.«
    »Das ist schade.«
    »Hör mal, ich wollte dich eigentlich schon anrufen …«
    »Weswegen?«, fragte ich überrascht.
    »Du hast es eben selbst gesagt.« Bettina lächelte mich schüchtern an. »Das Leben geht weiter. Ich meine …« Sie biss sich auf die Lippen. »Er … also Paps hatte ja nun offensichtlich auch irgendwie Dreck am Stecken. Woher hatte er denn sonst das Geld für eine Eigentumswohnung am Innenhafen? Ehrlich gesagt möchte ich es gar nicht mehr so genau wissen.«
    »Was? Woher Kurt das Geld hatte? Worin er verstrickt war? Oder warum er sterben musste?«
    »Ich … das ist mir alles zu viel, verstehst du das nicht?«
    »Du willst, dass ich aufhöre?«, fragte ich entgeistert.
    Bettina nickte betreten. Dann sah sie auf die Uhr an ihrem Handgelenk. »Du, sei mir nicht bös, aber …« Mit einer Körperhaltung, die keinen Widerspruch duldete und in seltsamem Kontrast zu ihrer bisherigen schüchternen Kleinmädchenmasche stand, dirigierte sie mich aus der Tür hinaus. Ich folgte ihr durch das Treppenhaus. Vor der Haustür reichte sie mir die Hand. »Danke für alles«, murmelte sie. Dann stieg sie in einen hellblauen Micra und fuhr los.
    Die ganze Rückfahrt nach Essen über ging mir Bettina nicht mehr aus dem Kopf. Wann hatte ich sie das letzte Mal gesehen? War gar nicht so lange her, Donnerstag oder Freitag. Da war sie noch von Schock und Trauer übermannt gewesen, hatte abgekämpft und völlig kraftlos gewirkt. Dass sie nur wenige Tage später vom Leben sprach, welches weitergelebt werden

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