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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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und entzündet. Und sie schien Schmerzen zu haben, denn beim Sprechen verzog sie ihr Gesicht. Dennoch wirkte sie wesentlich gefasster, stabiler als bei unserer letzten Begegnung.
    Papiere lagen auf ihrem Wohnzimmertisch verstreut, auf dem auch ein Notebook lautstark vor sich hin ventilierte. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie. »Ich arbeite von zu Hause aus. Was kann ich für Sie tun?«
    Ich zeigte ihr die Fotos, die wir von Kurts Digitalkamera heruntergeladen hatten. Behrends identifizierte sie sogleich als Kurts Chef. Das wunderte mich nicht. Schließlich hatte sie als Übersetzerin für die Ruhrcity-Bank gearbeitet. Als ich ihr Holger Schönlein unter die Nase hielt, zögerte sie. »Irgendein Politiker, glaube ich«, sagte sie. »So einer von der Stadt. Auf jeden Fall hat er mit Dr. Behrends zu tun gehabt, mehrfach.« Ich zeigte ihr ein weiteres Foto, auf dem der Mann zu sehen war, den ich nach Ausschluss von Behrends, Schönlein und Matzek, dessen Gesicht ich ja inzwischen ebenfalls kannte, für Zirkow hielt. Sie presste die Lippen zusammen und verneinte. Als sie Matzek sah, funkelten ihre Augen wütend auf, und obwohl sie auch bei ihm energisch den Kopf schüttelte, fuhr ihre Hand an die verletzte Wange. Sie behauptete trotzdem, ihn nicht zu kennen. Ich war mir sicher, dass sie log. Und egal, welche Frage wir ihr noch stellten – wir bekamen keine einzige vernünftige Antwort mehr aus ihr heraus.
    »Und? Was hältst du davon?«, fragte ich Volker, als wir wieder im Auto saßen.
    »Sie hat die beiden erkannt«, bestätigte er meinen Eindruck. »Und sie verbindet nichts Positives mit ihnen.«
    »Ja, das glaube ich auch. Ich denke, dass der Schnitt in ihrem Gesicht mit ihnen zu tun hat. Und dass sie Angst vor ihnen hat, weshalb sie jetzt auch nichts mehr sagen will. Deshalb bin ich mir sicher, dass es sich um Zirkow und Matzek handelt. Und wenn das so ist, stecken sie alle vier unter einer Decke und haben mit Kurts Tod zu tun.«
    »Ja, davon sollten wir ausgehen«, stimmte Volker zu und startete den Wagen. »Fragt sich nur, was die Herren ausgefressen haben. Was haben sie mit dem Neubau dort am Ende des Innenhafens zu tun? Wir wissen immer noch nicht, worum es hier überhaupt geht, verdammt noch mal.«
    * * *
    Der Anruf erwischte mich, als ich gerade wieder in meiner Wohnung angekommen war.
    »Frau Blauvogel?« Die Stimme war mir unbekannt.
    »Ja?«
    »Schwester Regina, Klinikum Essen.« Ein Räuspern. »Max Schulze … In seinem Notizbuch steht, dass man Sie informieren soll im Falle eines …«
    »Was ist passiert?« Mein Herz schlug plötzlich seltsam laut.
    »Er hatte einen …«, sie zögerte und schien nach den richtigen Worten zu suchen, »ich meine, er liegt hier auf der Intensivstation.«
    Ein schmerzhafter Stich schoss mir durchs Herz. »Ein Unfall?«, fragte ich heiser.
    »Nicht direkt.«
    Was soll das heißen?, wollte ich fragen. Aber ich brachte nur einen krächzenden Laut zustande.
    »Ich denke, es ist am besten, Sie kommen her. Wenn Sie an der Stationsschleuse sind, melden Sie sich bitte über die Rufanlage. Haben Sie etwas Geduld. Wir hören das. Aber es kann etwas dauern, bis Ihnen jemand öffnen kann.«
    »Gut«, sagte ich mit seltsam tonloser Stimme. »Ich komme sofort.«
    * * *
    »Ihr Freund hat großes Glück gehabt.« Der Arzt sah erschöpft aus, so, als habe er bereits einen langen Dienst hinter sich. Oder einen schwierigen. Oder beides.
    »Was ist passiert?« Wenigstens war meine Stimme wieder da.
    »Das Fahrzeug, mit dem er unterwegs war, ist explodiert. Glücklicherweise hatte er den Wagen bereits verlassen. Die Druckwelle traf ihn drei Meter entfernt. Er musste wohl mal.« Der Arzt räusperte sich. »Zumindest stand sein Hosenstall offen, als er eingeliefert wurde.«
    Ich griff mir mit der Hand an die Kehle. Dort saß ein Kloß, so dick, dass ich kaum sprechen konnte. »Ist er schwer verletzt?«, flüsterte ich.
    »Er hat eine Schädelfraktur, etliche Schnittwunden und ein paar Verbrennungen an den Armen, wo er von brennenden Autoteilen getroffen wurde. Ein Schädel-Hirn-Trauma konnten wir ausschließen.«
    »Schädelfraktur? Wie …«
    »Er wurde von einem der Granittrümmer getroffen. Immerhin nicht perforiert, sondern nur ein Riss in der Schädeldecke«, erklärte der Arzt.
    »Was?« Ich schüttelte abwehrend den Kopf. Perforiert? Perforieren, durchdringen, eindringen, übersetzte ich still. »Warum Granit?«, fragte ich dann.
    »Nun, da war wohl einer dieser typischen

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