Innenhafen
Künstliches Koma«, hörte ich Bea leise sagen. »Bis die Schwellungen im Gehirn abgeklungen sind. Es war Tonis Auto. Verstehen Sie jetzt? Ich will sie schützen. Sie sollte vorerst nicht mehr in ihre Wohnung zurück. Und Sie am besten auch nicht.«
»Aber …« Ich fing an zu zittern. Am ganzen Körper, so, als hätte ich Fieber. Meine Zähne schlugen aufeinander. Ich konnte es nicht kontrollieren. »A-a-a … d-d-die Katzen …«
»Ich kümmere mich um die Tiere. Ich verspreche es dir.«
Beas Gesicht verschwamm in den Tränen, die plötzlich zu fließen anfingen. Sie hörten gar nicht mehr auf zu fließen, die Tränen.
Da war ein Mann neben mir. Hockend. Er kramte in einem kleinen Koffer herum, der geöffnet auf dem Boden stand. Zog eine Spritze auf. Ich weinte immer noch. Unkontrolliert. Zuckend. Zähneklappernd. Es stach im Arm. Heiß floss mir etwas durch die Adern. Dann war da nur noch Nebel. Bea und Volker. Unglaublich viele Worte, die an der dumpfen Watte in meinem Gehirn abprallten.
Ich weiß nicht, wie lange ich so gesessen hatte. Das Zeitgefühl war mir abhandengekommen. Doch irgendwann stand Volker vor mir und legte seine Hand auf meine Schulter. Ich sah, wie er seine Lippen bewegte. Hörte die Laute, die er ausstieß und deren Inhalt mir seltsam verborgen blieb. Er wollte etwas von mir. Ich starrte ihn an und versuchte, mich zu konzentrieren.
Wieder sagte er etwas. Etwas Kurzes, ein einziges Wort nur. Aber das Einwort war es nicht. Ich sah auf seinen Mund, seine Lippen. Deutlich. Überdeutlich. Als würde er zu einer Gehörlosen sprechen. Er streckte mir auffordernd die Hand entgegen und sagte es noch mal. Jetzt verstand ich ihn. »Komm«, sagte er, seine Hand immer noch vor meiner Nase. Er wollte, dass ich aufstehe.
Ich ergriff die Hand und zog mich daran hoch, schwer wie ein nasser Sack. Ich merkte, dass er in der Tasche meiner Jacke wühlte. Sah, wie er Bea einen Schlüssel reichte – meinen Schlüssel? – und im Gegenzug etwas von ihr in Empfang nahm. Ich ließ mich schließlich an der Hand hinausführen wie ein kleines Kind.
* * *
Wiederholtes Klingeln in immer gleichem Abstand. Dann dumpfes Gemurmel. Rascheln. Ein Dielenboden knarrte. Wärme. Ich spürte ein Kissen unter meiner Wange. Einen rauen Bezug, nicht kuschelig, sondern kratzig. Dafür war die Decke weich, unter der ich lag. Ein paar Fransen kitzelten meine Nase. Ich öffnete die Augen. Ein Streifen Licht kroch über die Front vor mir. Stoff. Grün. Tannengrün. Cord. Mühsam drehte ich mich um.
Ich lag auf einer Couch. Die Decke war blau mit dünnen grünen Streifen. Und roten. Im Karo. Ich schwang die Beine über den Couchrand und richtete mich auf. Mir war schwindelig. Ich fühlte mich seltsam zittrig und schwach. Dann ließ der Schwindel nach und machte einem üblen Geschmack im Mund Platz. Wie nach hohem Fieber.
Eine Stehlampe tauchte den Boden um sich herum in helles Licht. Fischgrätmuster. Parkett. Ich entdeckte ein paar Beine, die in Jeans steckten. Folgte den Beinen, landete bei Händen, die gerade ein Buch sinken ließen, einem hellen Hemd mit blauen Streifen.
»Na, wieder wach?« Volker lächelte mich an. »Du hast geschlafen wie ein Zementsack. Und geschnarcht.«
»Gar nicht«, sagte ich, die Stimme piepsig. »Ich schnarche nicht.«
»Tust du wohl.«
»Ich habe Durst.« Kinderjammern, weinerlich. Das war doch nicht ich. Ich räusperte mich verlegen.
»Ich bring dir was.« Volker stand auf und verließ den Raum. Der Sessel, auf dem er gesessen hatte, kam mir bekannt vor. Aufmerksam sah ich mich um.
»Das ist Beas Wohnung«, stellte ich fest, als Volker mir ein Glas mit Mineralwasser reichte.
»Stimmt. Sie möchte, dass du ein paar Tage hierbleibst. Sie wohnt solange bei ihrem Kollegen.«
»Schütte?«
»Genau. Bei Reinhold Schütte. Und sie kümmert sich gut um deine Katzen. Das soll ich dir ausrichten.«
»Ich dachte, sie wollte uns in Schutzgewahrsam nehmen«, sagte ich kleinlaut.
»Das hätte sie am liebsten getan, damit hat sie nicht hinterm Berg gehalten. Aber ohne unsere Einwilligung braucht sie einen richterlichen Beschluss und das weiß sie auch ganz genau. Sie hat sofort klein beigegeben, als ich ihr das sagte.«
»Versuch macht kluch«, murmelte ich mit geschlossenen Augen. Hallo, Großmutter, begrüßte ich die alte Dame stumm.
»So ungefähr. Sie kann nur an dich appellieren, im Augenblick nicht in deine Wohnungen zurückzukehren.«
»Und du hältst das für richtig?«
»Na, hör mal!
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