Innere Werte
Kreislauf mit Medikamenten in den Griff zu bekommen. Doch diesmal gelang das nicht.
»Scheiße, er hat Rhythmusstörungen«, fluchte er. »Ich versteh das nicht. Er hat doch keine Vorerkrankungen erwähnt.«
»Delia, Tücher!«, rief Steffen, legte erneut die Instrumente zur Seite und begann mit einer Herzmassage. »Los, Arens, komm schon!«, murmelte er vor sich hin.
»Oh, verdammt!« Theo blickte angstvoll auf den Monitor.
»Was ist?« Schweißtropfen standen Steffen auf der Stirn, während er immer weiter den Brustkorb von Norbert Arens bearbeitete.
»Kammerflimmern.«
Alle Anwesenden wussten, dass bei einem Kammerflimmern die Überlebenschance des Patienten pro Minute um zehn Prozent sank.
»Mach den Defi klar«, rief er Delia zu, die sofort zum Defibrilator griff und ihn bereitstellte. Steffen klebte Arens die Leit-Pads auf die Brust, stellte die Dosis ein und schnappte sich die Elektroden. »Alle weg!«
Delia und Theo traten einen Schritt vom OP-Tisch zurück, damit sie auf keinen Fall mit dem Strom in Verbindung kamen. Steffen setzte die Elektroden auf und jagte hundertfünfzig Joule durch den leblosen Körper des Mannes. Stille. Angespanntes Warten auf ein Lebenszeichen des Patienten, während Steffen zwei Minuten lang weiter reanimierte. Doch auf dem Bildschirm war keine Verbesserung zu erkennen.
»Los, nochmal!«, kommandierte Steffen. »Zweihundert Joule!« Sekunden später zuckte der Patient unter dem Stromstoß zusammen. Aber auch diesmal passierte nichts. Steffen wusste, dass ihm nur drei Minuten blieben, ehe Arens Gehirn durch den Sauerstoffmangel irreparable Schäden davontragen würde.
»Der macht uns hier den Abgang«, sagte Theo verzweifelt.
»Verdammt noch mal!«, fluchte Steffen laut. »Warum kommt er nicht?«
»Ich geb ihm ein Milligramm Supra.« Theo drückte das Medikament in Arens’ Vene.
Als Arens immer noch nicht reagierte, setzte Steffen erneut die Elektroden an, und diesmal mit Erfolg.
»Er kommt wieder.« Alle starrten auf den Monitor, wo die Zacken des EKG in Verbindung mit regelmäßig wiederkehrenden akustischen Signalen die Normalisierung von Herzfrequenz und Herzrhythmus anzeigten. Erleichtertes Aufatmen bei den Männern, nur Delia war den Tränen nahe.
»Ich hab’s gewusst. Wir hätten die OP abblasen sollen. Mir war von Anfang an nicht wohl bei der Sache.«
»Hör auf zu jammern und reiß dich zusammen«, fuhr Steffen sie an und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wir müssen das hier beenden und zwar schnell und konzentriert.« Er wandte sich an Theo. »Ist er stabil genug? Können wir weitermachen?«
»Ja, kann losgehen.«
Die drei beendeten die Operation. Es wurde nur noch das Nötigste gesprochen und die Niere geborgen. Während Steffen den Spender wieder zunähte, spülte Delia die vielen, kleinen Blutgefäße der entnommenen Niere mit einer vier Grad kalten Lösung durch. Sie verpackte sie in Eis und Plastikbeutel, damit das Organ in der Humboldt-Klinik dem bereits wartenden Empfänger eingepflanzt werden konnte.
42
»Wir bekommen den Durchsuchungsbeschluss nachher rüber.« Mit diesen Worten betrat Martin das Büro. »Und dann krempeln wir dem feinen Herrn Doktor das Büro mal um.«
»Bei der Gelegenheit können wir ihn auch gleich fragen, ob er immer noch so strafbar arbeitet wie früher«, sagte Michael wie beiläufig.
»Weißt du was, was ich nicht weiß?«
»So sieht’s aus! Also …«, er nahm seine Unterlagen zur Hand. »Dr. Steffen Wellner, geborener Grossmann –«
»Moment«, unterbrach ihn Martin. »Was heißt hier geborener?«
»Er hat den Namen seiner Frau angenommen und ich schätze, nicht ohne Grund. Er hat Medizin in Berlin studiert und seinen Facharzt für Chirurgie gemacht. Anschließend hat er eine Praxis eröffnet und den Hals nicht vollgekriegt.«
»Das heißt?« Neugierig beugte Martin sich über den Tisch.
»Er hat bewusst falsch abgerechnet. Ein bisschen mehr Röntgen hier, ein paar Bestrahlungen dort und die ein oder andere Spritze zusätzlich. Aber seine Arbeitsweise ist aufgeflogen und es kam zur Anzeige. Er hat elf Monate auf Bewährung bekommen und musste eine hübsche Summe zahlen.«
»Spricht für eine gewisse kriminelle Energie.«
»Und es erklärt, warum er den Namen gewechselt hat. Als Steffen Grossmann hätte er keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen, aber als Steffen Wellner konnte er neu anfangen.«
»Dann ist es sicher auch kein Zufall«, mischte sich Paul in das Gespräch, »dass die
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