Innere Werte
»Capricorne« am Kranzplatz. Dieses Restaurant, das sich im Hotel »Schwarzer Bock« befand, war ihr absolutes Lieblingslokal. Hier konnten sie nach Herzenslust ihre kulinarischen Gelüste befriedigen. Das Angebot reichte von internationaler Küche bis hin zu lokalen Spezialitäten und das Ganze in herrlichem Ambiente, das Tradition und Moderne erstaunlich gut vereinte. An den Wänden hing moderne Kunst, wohingegen die Tische im klassischen Stil gehalten waren.
Karla und Martin erlebten unvergessliche Stunden bei einem Candlelight-Dinner und ließen den Abend in den historischen Räumlichkeiten der »Bar 1486« ausklingen.
55
Auch am zweiten Weihnachtsfeiertag gingen die beiden ins »Capricorne«.
»Können Sie uns etwas empfehlen?«, fragte Martin, als der Kellner die Speisekarte brachte.
»Nierenspieße in Burgunder-Sauce«, sagte der Mann im schwarzen Frack begeistert, blickte schwärmerisch zur Decke und küsste seine Fingerspitzen. »Ein Traum!«
»Woher kommen die Nieren?«, fragte Martin.
»Frisch aus der Kläranlage.«
Martin fuhr erschrocken im Bett hoch und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Was ist denn los?«, fragte Karla neben ihm und knipste das Licht an.
»Ich hab geträumt.« Er schloss die Augen, schüttelte den Kopf und ließ sich zurück in die Kissen fallen.
»Schlimm?«
»Die beiden Mordfälle«, erklärte er. »Sie lassen mir offensichtlich auch im Schlaf keine Ruhe.« Er lächelte müde, während Karla sich an seine Schulter kuschelte.
»Willst du drüber reden?«
»Nicht direkt über die Fälle.«
»Aber?«
»Aber vielleicht über Organspende. Darüber wollte ich schon die ganze Zeit mal mit dir sprechen.«
»Warum?«
»Weil wir uns noch nie Gedanken darüber gemacht haben und ich finde, jeder sollte sich wenigstens einmal im Leben mit diesem Thema beschäftigen. Wenn ich plötzlich sterben würde, wüsstest du doch nicht, ob ich gewollt hätte, dass mir Organe entnommen werden. Außerdem möchte ich gerne wissen, was du darüber denkst.«
»Verstehe.«
Die beiden lagen noch lange wach und sprachen über das Thema, bis Karla sagte: »Ich glaube, wir haben jetzt genug geredet. Wir sollten versuchen, noch ein wenig zu schlafen.«
»Aber erst muss ich auf andere Gedanken kommen, sonst träum ich wieder so beschissen.«
Verschmitzt sah Karla ihren Mann an. »Da hab ich genau die richtige Idee. Es ist doch Weihnachten, das Fest der Liebe. Und Küssen ist die Sprache der Liebe.«
»Sehr gut«, sagte Martin lächelnd, stützte sich auf seinen Ellbogen und brachte sein Gesicht ganz nah an Karlas heran. »Dann komm her und sprich dich aus.«
Als die beiden gegen Mittag ausgiebig frühstückten, beschloss Martin, kurz im Präsidium vorbeizufahren. Dort stand er lange vor der Info-Wand mit den aktuellen Fällen und besah sich die Fotos. Tobias kam ihm in den Sinn und er fragte sich, wie der Junge wohl Weihnachten verbrachte. Das musste wirklich schrecklich sein, so kurz nach dem Tod der Mutter.
Martin entschied, auf dem Nachhauseweg bei ihm vorbeizufahren.
56
»Spätestens nach Silvester muss ich wieder zur Arbeit, sonst verliere ich meine Stelle«, sagte Katrin. Sie saß mit Tobias am Küchentisch und frühstückte. »Ich brauche den Job. Für einen Dauerurlaub hab ich nicht genug Kohle.«
»Dann hat dich die Polizei gleich am Haken.« Er griff nach ihrer Hand und streichelte sie zärtlich. »Also, wenn’s um die Kohle geht, kann ich dir gern aushelfen.«
»Das will ich aber nicht.«
»Meine Mutter hat ziemlich viel gespart. Das ist kein Problem.«
»Das ist süß von dir, aber –«
»Nichts aber. Entscheidungen sollten nicht immer aufgrund von Geld getroffen werden. In der heutigen Zeit dreht sich alles immer nur ums Geld. Das ist doch ätzend!«
»Naja, man braucht es halt, um über die Runden zu kommen.«
»Sicher, aber viele vergessen, zu leben, nur weil sie damit beschäftigt sind, Geld zu scheffeln. Sieh dir meine Mutter an. Sie hatte eigentlich nie wirklich Zeit für sich. Immer ging’s nur ums Arbeiten, um Kunden, um die Bank. Das alles war ihr so verdammt wichtig, dass ihr kaum Zeit für Familie und Freunde geblieben ist. Und was hat sie jetzt von ihrer ganzen Kohle?«
Bedrücktes Schweigen erfüllte den Raum.
»So will ich nicht leben. Ich möchte mich jeden Tag an etwas erfreuen und das soll nicht unbedingt die größer werdende Zahl auf meinem Konto sein.« Tobias ging um den Tisch herum, zog Katrin zu sich hoch und nahm ihr
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