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Innere Werte

Innere Werte

Titel: Innere Werte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hamann
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normalen Umständen schon. Daher führt eine zu große Aufnahme nur bei gleichzeitigem Nierenschaden zur Erhöhung des Kaliumspiegels oder bei extrem hoher Kaliumzufuhr durch Tabletten oder Infusionen.«
    »Konnten Sie feststellen, ob sie einen Nierenschaden hatte?«
    »Um einen solchen Schaden auszuschließen, muss man unbedingt den Kaliumwert im Urin mit dem im Blut vergleichen.«
    »Ich gehe davon aus, dass Sie das getan haben?«, fragte Martin, als der Arzt nicht gleich weitersprach.
    »Sicher. Und da der Wert im Urin größer als vierzig Millimol war, ist die Kaliumausscheidung in der Niere in Ordnung, und man kann davon ausgehen, dass bei Frau Schulte kein Nierenschaden vorlag.«
    »Also«, folgerte Michael, »hat sie Kalium über Medikamente zu sich genommen.«
    »Ich tippe auf Tabletten, denn wir haben keine Einstichstellen gefunden. Aber das wird in der Toxikologie genauer untersucht.«
    »Wann ist das Ergebnis von dort zu erwarten?«
    »Morgen früh, schätze ich.«
    »Sie geben uns dann bitte sofort Bescheid.«
    Dr. Richard nickte.
    »Was bewirkt ein zu hoher Kaliumspiegel?«, wollte Michael wissen.
    »Zunächst Müdigkeit und Hörstörungen, Verwirrtheit und Muskelschwäche. Aber das eigentliche Problem ist, dass die Weiterleitung von Nervensignalen gestört wird. Und das führt zu Muskellähmungen. Für den Herzmuskel heißt das erst Herzrhythmusstörungen, dann Stillstand.«
    »Dr. Richard, können Sie sagen, was für den Tod ausschlaggebend war?«
    »Ich denke, dass in diesem speziellen Fall die Kombination von Kalium, Kälte und Alkohol absolut tödlich war. Wobei die Kälte allein die Frau schon umgebracht hätte. Wir hatten ja minus elf Grad. Ihre Hautoberfläche war innerhalb von Minuten auf minus fünf Grad abgekühlt. Da unser Gewebe zu siebzig Prozent aus Wasser besteht, gefriert das Wasser zwischen den Zellen, und Eiskristalle zerreißen folglich das Zellgewebe. Wie wir feststellen mussten, war das auch hier der Fall.«
    »Schreckliche Vorstellung«, sagte Michael und verzog das Gesicht.
    »Ihr Tod wurde sicher durch den hohen Alkoholkonsum und ihr niedriges Gewicht noch beschleunigt«, ergänzte der Rechtsmediziner.
    »Was bewirkt der Alkohol beim Erfrieren genau?«
    »Alkohol erweitert die Blutgefäße in der Haut, wodurch die Körperwärme schneller an die Umgebung abgegeben wird. Die Unterkühlung setzt ein, wenn die eigentliche Körpertemperatur von siebenunddreißig Grad um mindestens zwei Grad fällt. Dann stellt der Körper sein Notfallprogramm an und man beginnt zu zittern, um Wärme zu produzieren. Sinkt die Temperatur weiter unter zweiunddreißig Grad, hört man auf zu zittern und die Muskeln werden steif. Die Energiereserven des Körpers sind dann verbraucht und das Blut zirkuliert nur noch im Körperkern, um die Organe und das Gehirn am Laufen zu halten. Aber da die Temperatur weiter sinkt, kühlt auch der Kern ab, die Herzfrequenz sinkt immer weiter, bis das Herz versagt. Das geschieht bei etwa siebenundzwanzig Grad.«
    »Heißt das, man kann sich nicht mehr bewegen und muss warten, bis man stirbt?«
    »Im Grunde schon, wobei die Kälte die Enden der Nervenbahnen betäubt, so dass Schmerz- und Kältewahrnehmung gedämpft werden und man gar nicht bemerkt, dass man erfriert. Wenn man zusätzlich noch alkoholisiert ist, sowieso nicht. In unserem Fall hat die Frau sicher nichts gespürt. Außer vielleicht körpereigene Endorphine.«
    »Glücksbotenstoffe?«
    »Ja, auch die werden bei Kälte freigesetzt, eigentlich um unsere Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Alkoholbedingt hat Frau Schulte das allerdings nichts genutzt.«
    »Was ist mit dem Todeszeitpunkt?«
    »Nach unserer Rechnung ist er auf Samstagabend dreiundzwanzig Uhr vierzig festzulegen, plus, minus zwanzig Minuten.«
    »Gibt es sonst noch irgendwas Wesentliches?«
    »Ich denke nicht. Lesen Sie den Bericht, und wenn Sie dann noch Fragen haben, können Sie sich ja melden.«
    »Das werden wir. Danke.«
    Die Kommissare verabschiedeten sich und machten sich auf den Rückweg.

29
     
    Pünktlich trafen die Mitarbeiter im Besprechungszimmer ein. Martin hatte den Bericht vom Erkennungsdienst bereits gelesen. Nun saßen sie zu fünft um den großen Tisch. Egon Milster zog an seiner Pfeife und blickte in die Runde.
    »Nun, Sandor«, begann er, »womit haben wir es hier zu tun?«
    »Das wüsste ich auch gern.«
    Milster kratzte sich am Kopf und sah den Kommissar fast vorwurfsvoll über den Rand seiner Brille an. »Kommen Sie, einen

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