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Innere Werte

Innere Werte

Titel: Innere Werte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hamann
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seinem Kaffee. »Aber erzähl doch mal, wie der Tag weiterlief.«
    »Ich bin zu meinem Freund Frank rübergegangen. Als ich wiederkam, war es ungefähr fünf Uhr. Da war Udo weg und meine Mutter total ätzend drauf.«
    »Weißt du, warum?«
    »Nein. Sie hat mich gleich angemotzt, weil ich die Spülmaschine nicht ausgeräumt hatte. Dann bin ich in mein Zimmer verschwunden. Später hat sie mich geholt, damit ich mitfahre und einkaufe.«
    »Hast du dich gut mit deiner Mutter verstanden?«
    »Ja, eigentlich schon.« Tobias presste die Lippen zusammen und schluckte. »Wir haben uns zwar immer wieder wegen solcher blöden Kleinigkeiten in die Wolle bekommen, aber sonst lief es gut zwischen uns.« Er kramte ein Taschentuch aus der Hosentasche und putzte sich die Nase. »Ich hab ihr viel zu verdanken. Sie hat mir beigestanden, als es mir gesundheitlich sehr schlecht ging.«
    »Was hattest du?«
    »Vor zwei Jahren hat meine Niere versagt und ich musste an die Dialyse. Sie hat sich sehr dafür eingesetzt, dass ich eine neue Niere bekommen hab.« Sein Atem stockte kurz, ehe er weitersprach. »Das war vor einem halben Jahr.«
    »Und geht es dir jetzt gut?«
    »Ja«, er lächelte schwach, »mir geht es sehr gut. Ich muss zwar jeden Tag Medikamente nehmen, aber die neue Niere funktioniert prima. Sie glauben gar nicht, wie schön es ist, nicht mehr an die Dialyse zu müssen.«
    »Das freut mich für dich.«
    Es entstand eine kurze Pause, dann blickte Tobias Martin unsicher an.
    »Wissen Sie inzwischen, wie meine Mutter gestorben ist?«
    »Sie ist erfroren.«
    »Wie kann sie denn einfach so erfrieren?«
    »Sie ist nicht einfach erfroren«, erklärte Martin. »Sie hatte sehr viel Alkohol getrunken.«
    »Das kann nicht sein.« Energisch schüttelte er den Kopf. »Meine Mutter hat nie getrunken.«
    »Tobias, sie hatte fast zwei Promille im Blut.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Hat sie grundsätzlich nie Alkohol getrunken oder nur selten und wenig?«
    »Außer ein Glas Sekt an Silvester, habe ich sie selten Alkohol trinken sehen.«
    »Gab es einen besonderen Grund dafür?«
    »Mein Vater hatte einen tödlichen Autounfall, weil er betrunken gefahren ist.«
    »Verstehe.«
    Tobias stand auf, ging zum Fenster und starrte hinaus.
    Martin wollte gerade etwas sagen, als der junge Mann zu sprechen begann: »Sie sagten gestern, meine Mutter ist nackt gefunden worden, und dass sie vielleicht umgebracht wurde.«
    »Ja, das stimmt. Aber sie ist nicht missbraucht worden. Sie war einfach nur nackt. Und wir wissen nicht, ob ein Fremdverschulden vorliegt. Es könnte ebenso gut ein Unfall gewesen sein.«
    »Oder Selbstmord«, ergänzte Paul. »Glaubst du, dass das möglich wäre?«
    »Selbstmord?« Tobias überlegte und wandte sich wieder den Polizisten zu. »Warum sollte sie das tun? Sie war doch keine Depri-Tussi. Ihr ging es gut. Sie hatte alles, was sie wollte.«
    »Woher willst du das so genau wissen? Du hast gesagt, dass Sie viel unterwegs war, zu Personen und Orten, von denen du nichts wusstest.« Paul trat dicht an Tobias heran. »Vielleicht hat sie Männer getroffen oder war unglücklich verliebt. Wir haben am Fundort im Wald auch einen Schriftzug im Boden entdeckt mit dem Wort ›Bitch‹. Könnte jemand deine Mutter als Hure ansehen?«
    »Paul«, rief Martin. »Es ist gut jetzt.«
    Tobias traten Tränen in die Augen. »Warum war sie nackt?«
    »Das wissen wir noch nicht.«
    »Wo sind denn ihre Kleider?«
    »Die lagen verstreut im Wald.«
    »Tobias, …« Paul setzte gerade an, um etwas zu sagen, als Martin ihn mit einem Blick zum Schweigen brachte.
    »Da war schon mal was mit dem Wort ›Bitch‹«, erklärte Tobias, während er sich die Tränen mit dem Handrücken wegwischte. »Jemand hat ihr das auch in die Autotür geritzt.«
    »Ja, das haben wir gesehen. Weißt du, wann das war?«
    »Sie hat es am letzten Freitag entdeckt.«
    »Wie hat sie reagiert?«
    »Sie war sauer und hat angenommen, dass das eine Freundin von einem Kunden war, die geglaubt hat, dass meine Mutter was mit ihrem Typ hat.«
    Paul und Martin sahen sich an. Klang das nicht förmlich nach einem Mordmotiv? Und noch dazu der Klassiker: Mord aus Eifersucht!
    »Weißt du, ob deine Mutter tatsächlich ein Verhältnis mit diesem Mann hatte?«
    »Sicher kann ich das nicht sagen. Zumindest hat sie es geleugnet.«
    »Hat sie einen Namen erwähnt?«
    »Nein.«
    »Kannst du dich erinnern, ob vor diesem Freitagmorgen irgendwas Außergewöhnliches war? Hatte sie Ärger oder

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