Innere Werte
beurteilen.«
Die Männer sahen sich noch ein wenig genauer im Zimmer um, bis Paul anrief und mitteilte, dass Tobias seine Mutter identifiziert hatte und sie auf dem Rückweg seien. Martin wies die anderen an, alles, was nötig war, einzupacken und zu verschwinden. Er wollte nicht, dass Tobias sah, wie man in den Sachen seiner Mutter herumwühlte.
Als Paul ankam, setzte sich Martin nochmal mit Tobias zusammen. Der Junge starrte blicklos ins Leere.
»Tobias, kann ich dich noch was fragen?«
Durch die Frage in die Realität zurückgeholt, wandte er Martin das Gesicht zu und nickte.
»Deine Mutter hatte ziemlich viel Schmuck und teure Kleidung. Auch die Möbel scheinen recht exklusiv zu sein.«
»Sie fragen sich, wie sie das bezahlen konnte.«
»Richtig.«
»Ich habe keine Ahnung. Für ihre Finanzen hab ich mich nie interessiert. Ich wusste nur, dass sie sehr gut verdient. Sie hat ja auch immer massig Überstunden gemacht. Wahrscheinlich läppert sich dadurch einiges zusammen.«
»Weißt du, ob sie Schulden hat?«
»Nicht sicher. Aber ich glaube nicht.«
»Gut. Wir werden das überprüfen.« Martin erklärte ihm, was sie zur Durchsicht alles mitnehmen würden. Tobias nickte nur. Die Männer verabschiedeten sich. Im Hinausgehen drehte sich Martin nochmal herum.
»Ach, sag mal, hast du das Bild mit dem Labyrinth in deinem Zimmer selbst gemalt?«
»Ja.«
»Es gefällt mir. Ist das dein Hobby?«
»War eher eine einmalige Sache. Ich hab mich eine Zeitlang mit Symbolen beschäftigt und das ist sozusagen das Ergebnis davon. Wenn man an der Dialyse hängt, hat man Langeweile ohne Ende, und da kommt man auf so manche verrückte Idee.«
»Verstehe.« Martin lächelte Tobias zu.
32
Es hatte geschneit und ganz Wiesbaden lag unter einer weißen Decke. Alles sah sauber und friedlich aus. Martin stapfte durch die Altstadt, die noch zu schlafen schien. Nur vereinzelt waren Leute unterwegs. Wenn die Geschäfte in etwa zwei Stunden öffneten, würden sich die Straßen füllen und dann wäre es vorbei mit der angenehmen Ruhe. Martin bog rechts ab in die Marktstraße. Er war sich ziemlich sicher, dass Paul wieder im Café Maldaner saß. Es schien fast so, als ob das sein Zweitwohnsitz geworden war. Schön war das Café, keine Frage. Traditionsreich und in ganz Wiesbaden ebenso bekannt wie beliebt. Die elegante Inneneinrichtung, noch aus wilhelminischer Zeit stammend, verlieh dem Maldaner dieses unvergleichliche Wiener Kaffeehausflair, das die unterschiedlichsten Leute in seinen Bann zog. Er selbst ging gern, wenn auch selten, dorthin und ließ sich mit den hervorragenden Kaffee- und Konditoreispezialitäten verwöhnen. Martin blickte durch das Fenster. Voll, wie immer, stellte er fest. Dann schob er sich durch die nostalgische Drehtür. Ein enormer Geräuschpegel sowie der Duft von Kaffee und eine Welle angenehmer Wärme schlugen ihm entgegen. Suchend blickte er sich nach Paul um, während er seinen Mantel öffnete. Im hinteren Teil des Raumes entdeckte er ihn und ging zielstrebig auf ihn zu.
»Guten Morgen, Herr Kriminalobermeister«, begrüßte er den Kollegen.
»Martin.« Erstaunt blickte Paul seinen Chef an. »Willst du dich zu mir setzen?«
»Nur ganz kurz, denn wir haben einen Termin.«
»Wir? Hab ich irgendwas verpasst?«
»Nein, diesmal nicht. Aber ich habe eben einen Anruf von Dr. Stieber bekommen und er sagt, er hat interessante Neuigkeiten für uns. Also dachte ich mir, du könntest mich begleiten.«
»Ja, na klar.« Paul nahm die Tasse an die Lippen und war schon halb aufgestanden.
»Nur keine Hektik. Auf fünf Minuten kommt’s nicht an. Setz dich und trink in Ruhe aus. Der Kaffee ist hier zu gut, als dass man ihn einfach so runterstürzt.« Martin machte eine kurze Pause, ehe er fortfuhr: »Sag mal, Paul, kann es sein, dass dir in letzter Zeit alles irgendwie zu viel ist?«
»Wieso?«
»Du hast dich verändert, bist nicht mehr so engagiert wie noch vor einigen Wochen. Und das mit deiner Unzuverlässigkeit und deiner schlechten Laune habe ich dir ja schon neulich gesagt.«
»Oh, ja! Den Anschiss hab ich nicht vergessen«, erinnerte sich Paul.
»Macht dir deine Arbeit überhaupt noch Spaß?« Forschend sah Martin seinem Kollegen in die Augen.
Noch ehe Paul antworten konnte, klingelte sein Handy. Es war deutlich zu hören, dass es sich bei dem Anrufer um seine Freundin handelte. Als er das Gespräch beendet hatte, erklärte er: »Das war Nicole. Sie war sauer, dass ich nicht zum Frühstück
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